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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Hügel hinunter, befreit von der Sorge, was für die nächtliche Unternehmung noch fehlen konnte. War der Graf nicht für den Schatz verantwortlich? Nun, so sollte er auch die Verantwortung für all die lästigen Einzelheiten übernehmen, die dies mit sich brachte. Ich dachte nicht im Traum daran, auch nur einen Finger zu rühren. Im Grunde genommen hatte er recht: Meine einzige Pflicht bestand darin, ihn zu finden; für alles weitere war er zuständig.
    Jonas brannte darauf, Neues zu erfahren. Sara und er erwarteten mich vor der Tür der Herberge, wo sie mit einer bretonischen Pilgergruppe um ein Feuer herum saßen. Als er mich kommen sah, fuhr der Junge in die Höhe und wollte schon aufspringen, um mir entgegenzulaufen. Doch eine unauffällige Geste Saras, die ihn leicht mit der Hand festhielt, brachte ihn davon ab. Wieder wurde mir bewußt, daß die Jüdin eine wirklich bewundernswerte Frau war. Sie wußte nichts von dem, was mich beschäftigte, doch anstatt nachzufragen, zu bohren, um mir irgend etwas zu entlocken, akzeptierte sie ruhig mein Geheimnis und achtete sogar darauf, daß das ungezügelte Temperament des Jungen nicht mit ihm durchging, damit er bei niemandem Argwohn erregte, als ob sie ahnte, daß viele Augen auf uns gerichtet sein konnten.
    Wortlos setzte ich mich zu ihnen. Bis zur Stunde des Abendessens unterhielten wir uns mit den Bretonen, während ein hervorragender Wein die Runde machte, den sie in einem Weinschlauch aus Ziegenleder mitgebracht hatten. Die Mönche schöpften dann eine dicke Suppe aus Zwiebeln und Kürbis in unsere Suppenschalen und reichten uns Weizenbrot mit einigen Stücken geräucherten Specks dazu.
    Als die Nacht hereinbrach und sich alle zum Schlafen niedergelegt hatten, stieg ich erneut nach Suso hinauf, um mich mit dem Grafen zu treffen. In der Dunkelheit wirkte dasselbe Wäldchen, das mir tagsüber so ruhig und licht erschienen war, äußerst bedrohlich. Meine Schritte knirschten im Laub, und um mich herum heulten hoch oben in den Baumwipfeln Uhus und Eulen. Die schwache Flamme meines Talglichts flackerte und erlosch immer wieder bei der frischen Brise, die durch das Dickicht pfiff. In tiefsten Innern war ich dankbar, am Gürtel Le Mans' Dolch zu tragen. Doch wenn eine Horde gefährlicher Wegelagerer mich überfallen hätte, hätte ich mich kaum schlechter fühlen können als in dem Augenblick, als ich schließlich das alte Kloster und das Grab der heiligen Oria erreichte.
    Einige Holzbretter lehnten gegen den Eingang der Grabkammer. Die Mauer davor war abgetragen. Haufenweise Geröll lag herum, doch war keine Menschenseele zu sehen, als ob die Welt plötzlich wie durch Zauberei entvölkert worden wäre. Im Innern der Nische hatte man einen Schacht ausgehoben, in den eine Holzleiter hinunterführte. Als ich mich im Schein meines Talglichts darüberbeugte, entdeckte ich nur noch eine Grube, die bis auf einige Knäuel Hanfseile vollkommen leer war. Der verdammte Graf hatte nicht warten wollen und sich den Schatz bereits angeeignet.
    »Joffroooooooooooooi!« heulte ich inmitten des nächtlichen Schweigens mit all der Kraft, die der Zorn und die Ohnmacht meinen Lungen verliehen. Doch ich erhielt keine Antwort. Ich erstickte fast vor Empörung, und mein Blut kochte vor Wut.
    Sara und dem Jungen gab ich keinerlei Erklärungen, obwohl die beiden darauf brannten zu erfahren, was geschehen und auf was meine schlechte Laune zurückzuführen war. Sie nicht weiter beachtend, zog ich mich in eine hermetische Schweigsamkeit zurück, und schweigend machten wir uns am folgenden Tag wieder auf den Weg. Unaufhörlich zerbrach ich mir den Kopf über das Geschehene. So wenig also schätzten der Papst und mein Orden, was ich hier tat? Hatten sie etwa diesem Dummkopf von Le Mans die Anweisung gegeben, hinter meinem Rücken zu agieren? Blickten sie gar auf mich herab und sahen in mir nur einen einfachen Handlanger? Dachten sie womöglich, daß ich das Gold stehlen wollte? Damals kam ich mir vor wie zu Beginn: Ich stand wieder mit leeren Händen da, bedingt durch die Verblendung und Habgier derjenigen, die in Avignon behaglich auf das Ergebnis meiner Arbeit warteten. Vielleicht war ja bei den in der Grabnische gefundenen Schätzen nichts gewesen, was mir geholfen hätte, meine Nachforschungen voranzutreiben; aber wenn dem nicht so war? Wenn dieser Tölpel von Le Mans etwas Wichtiges zerstört hatte? Doch mein Ärger war unnütz. Das Unglück war schon geschehen.
    Wir kamen nach Santo Domingo de

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