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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Rauchwolke aus dem geöffneten Grab. In der Tat glichen die beiden Frauenfiguren, die beiden Marias aus dem Evangelium, mehr Leichen als sonst irgend etwas. Weißt du, Jonas, es ist sehr gut möglich, daß die Tumba von San Juan irgendeine Falle aufweist, vielleicht ein flüchtiges Gift.«
    »Nun, dann sollten wir das dem Grafen Le Mans nicht verraten«, entschlüpfte es ihm vergnügt. »Er muß wohl gleich hier erscheinen. Soll er es doch aufmachen. Ist es nicht das, was er will?«
    »Ja«, stimmte ich mit einem Lächeln zu, das dem seinen glich, »das ist eine hervorragende Idee. Ich behaupte nicht, daß ich nicht versucht bin, ihn eines Gifttodes sterben zu sehen. Aber dieses Mal, mein Junge, werden wir beide, du und ich, den Schatz heben. Le Mans darf nichts davon erfahren, bevor wir nicht einen Blick in das Innere dieses Grabmals geworfen haben.«
    »Aber dann erwischt es doch uns!«
    »Nein, denn wir wissen, daß diese Gefahr besteht, und wir werden die nötigen Vorkehrungen treffen, um das zu verhindern. Und jetzt, mein Junge, setz ein seraphisches Engelsgesicht auf, auch wenn es dich gewaltige Mühe kostet, und laß uns diese Kirche so verlassen, als ob wir fromm gebetet hätten: nicht eine Geste oder Bewegung, die offenbart, was wir wissen, verstanden? Denk daran, daß Le Mans' Schergen uns belauern.«
    »Seid unbesorgt, Sire. Paßt gut auf.«
    Plötzlich schien er am Boden zerstört. Seine Niedergeschlagenheit und Traurigkeit wirkten so übertrieben, daß ich ihm eine Kopfnuß versetzen mußte.
    »Trag nicht so dick auf, du Dummkopf!«
    Wenn wir die Kapelle noch einmal aufsuchen wollten, würde es Le Mans auf jeden Fall mitbekommen, weshalb wir eine gute Ausrede finden mußten, die einen erneuten Besuch logisch erscheinen ließ. Glücklicherweise verschaffte ihn uns der alte Pater des Ortes selbst:
    »Ich muß noch einmal hinüber in die Kirche, um die Wachskerzen in den Lampen und am Altar zu löschen«, meinte er bei Einbruch der Nacht, während er sich reckte und ausgiebig gähnte.
    Eingehüllt in alte, zerschlissene Wolldecken saßen wir am Feuer. Sara döste unruhig in ihrem Sessel; sie war nervös, da sie am folgenden Tag Mendoza in Burgos treffen wollte. Auch ich fühlte mich beunruhigt durch die Nähe meiner Begegnung mit Isabel, doch wußte ich nicht, was mich mehr bewegte: Jonas' Mutter nach so vielen Jahren wiederzusehen oder Sara ihren geliebten Manrique treffen zu wissen.
    »Laßt meinen Jungen gehen«, schlug ich vor.
    »O nein! Während ich die Kerzen lösche, bete ich für gewöhnlich zu San Juan.«
    »Nun, so laßt denn meinen Sohn und mich diesen Dienst verrichten, und als Dank für die Güte, die Ihr uns hier zuteil werden laßt, werden wir beide beim Heiligen um Fürsprache für Euch und diesen Ort bitten.«
    »Das ist kein schlechter Einfall, keineswegs!« urteilte er entzückt.
    »Das ist ein sehr guter Einfall«, bekräftigte ich, um ihm keine Zeit zum Nachdenken zu lassen. »Jonas, los, nimm den Kerzenlöscher und komm.«
    Jonas holte aus einer Ecke den langen Eisenstab mit der blechernen Mütze und blieb abwartend neben der Tür stehen. Ich stand auf und trat zu Sara, um ihr zu sagen, wohin wir gingen, aber sie war so schlaftrunken, daß sie es nicht merkte. Ich hätte ihr die Hand auf die Schulter legen können, um sie richtig zu wecken, und niemand hätte Böses von mir gedacht; ich hätte sogar nach ihrer Hand greifen und sie streicheln können, und auch dann wäre nichts Außergewöhnliches passiert; ich hätte ihr ganz sanft über das Haar streichen können, oder über die Wange, und nicht einmal der gütige Mönch hätte daran Anstoß genommen. Aber ich tat nichts dergleichen, denn ich selbst hätte sehr wohl die Wahrheit gewußt.
    »Sara, Sara …«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Geht zu Bett. Jonas und ich kommen gleich zurück.«
    Im Schein des Vollmondes gingen wir zur Kirche hinüber. Sie war so leer wie zuvor, wenn auch stiller, da das Summen der Fliegen glücklicherweise verstummt war.
    »Wie stellen wir es an, die Grabplatte zu heben?« flüsterte Jonas.
    »›Gebt mir einen Punkt, und ich werde die Welt aus den Angeln heben‹, sagte Archimedes.«
    »Wer?«
    »Allmächtiger Gott, Jonas! Man hat dir auch nicht das kleinste bißchen Bildung angedeihen lassen!«
    »Aber jetzt seid Ihr allein dafür verantwortlich. Daß Ihr es nur wißt!«
    Ich tat so, als ob ich ihn nicht gehört hätte, zog unter meinem Leibrock ein Krummholz und Le Mans' Dolch hervor und trat an die

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