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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Tumba.
    »Nimm das«, sagte ich und reichte ihm das Stilett, »kratz den Mörtel an der anderen Seite weg, und wenn du damit fertig bist, bring den Kerzenlöscher her.«
    Es war nicht schwierig, die einmal gelöste Grabplatte mittels des Stabes zu bewegen, obwohl wir es höchst vorsichtig tun mußten, um sie nicht zu brechen.
    »Zieh das Hemd aus«, befahl ich Jonas, »und reiße es entzwei. Und dann tauch die beiden Hälften in das Weihwasserbecken.«
    »Ins Weihwasser???«
    »Tu, was ich dir sage! Und schnell, wenn du nicht vergiftet werden willst!«
    Wir vermummten unsere Gesichter mit den feuchten Stoffetzen, deren Enden wir hinter den Köpfen zusammenbanden, bevor ich der Platte einen letzten Stoß gab, die daraufhin nachgab und fast eine Elle zurückglitt. Aus dem Inneren stieg ein gelblicher Rauchschwall empor, der sich schnell in der ganzen Kirche ausbreitete.
    »Zieh dir das Tuch über die Augen, und wirf dich auf den Boden!« rief ich, während ich zum Kirchenportal stürzte, um es sperrangelweit aufzureißen. Die nächtliche Brise vertrieb einen Teil der Schwefeldämpfe; der Rest schwebte jedoch im Gewölbe des Kirchenschiffs, kaum zwei Handbreit über unseren Köpfen. Hätte uns das Kapitell nicht gewarnt, so wären wir unweigerlich umgekommen.
    »Steh langsam auf, mein Junge!«
    Wie ein Buckliger beugte ich mich ins Innere des Grabes, um die Giftwolke nicht einatmen zu müssen. Einige Steinstufen führten hinunter in die Dunkelheit einer unter dem Kirchenboden verborgenen Krypta.
    »Jonas, hol einen der Kandelaber vom Altar, und bring ihn her. Aber vergiß nicht, dich zu ducken! Die Luft ist am Boden reiner.«
    Mit äußerster Vorsicht stiegen wir hinunter, immer befürchtend, daß der Boden unter unseren Füßen nachgab, daß sich ein Stein über unseren Köpfen löste oder daß irgendeine unerwartete Falle unsere Knochen auf ewig dort in der Gruft einsperren würde. Doch nichts dergleichen geschah. Ohne irgendwelche unangenehmen Überraschungen kamen wir unten an. Im Kerzenschein lag ein kleiner, runder Raum vor uns, dessen Wände und Decke von großen Steinblöcken gebildet wurden. Den Boden sahen wir nicht, denn er war mit großen Truhen voller Gold- und Silbermünzen bedeckt, mit haufenweise Edelsteinen, auf denen reich bestickte Stoffe lagen, mit Kronen, Diademen, Halsketten, Ohrgehängen, Ringen, Bechern, Kelchen, mit Kruzifixen, Kandelabern und zahlreichen Dokumenten aus dem Orient. Und das war nur ein kleiner Teil des Schatzes, ein winziger Bruchteil des Ganzen! Wortlos und geblendet vom Glanz der Edelsteine umrundeten wir die Schätze, bestaunten, berührten und schätzten höchst wertvolle Rosenkränze, eindrucksvolle Reliquiare, Meßkännchen, Kelche, Monstranzen und Anhänger, bis der Junge unversehens das Schweigen brach:
    »Ich habe so eine dunkle Vorahnung, Sire. Laßt uns bitte schleunigst von hier verschwinden.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich weiß es nicht, Sire …«, stammelte er, »ich weiß nur, daß ich von hier weg will. Es ist ein ganz starkes und beängstigendes Gefühl.«
    »Ist gut, mein Junge, gehen wir.«
    Das Leben hatte mich gelehrt, daß man solch unerklärlichen Zeichen Respekt zollen sollte. Mehr als einmal hatte ich mich in ernsthafter Bedrängnis gesehen, weil ich mein Vorgefühl nicht hatte gelten lassen, weil ich nicht auf diese mysteriösen Warnungen hören wollte. Falls also mein Sohn so etwas verspürte, mußten wir verschwinden … und zwar schnell.
    Auf einem kleinen Tischchen aus Perlmutt zog ein gewöhnliches Lectorile aus unbearbeitetem Holz meine Aufmerksamkeit auf sich. Darauf lag eine mit dem Templersiegel versehene, zusammengebundene Lederrolle. Ich überlegte es mir nicht zweimal, nahm sie eilends an mich und steckte sie zwischen die Falten meines Unterkleides, während ich dem Jungen schnellstens die Stufen hinauffolgte.
    Oben angelangt, bemerkte man zunächst nichts Außergewöhnliches. Allem Anschein nach lag die Kirche noch ebenso still, kalt und verlassen da wie zuvor, als wir in die Krypta hinunterstiegen.
    »Es tut mir leid, daß ich Eure Nachforschungen zum Scheitern gebracht habe«, entschuldigte sich Jonas betrübt.
    »Mach dir deshalb keine Gedanken. Ganz bestimmt hast du irgend etwas wahrgenommen, und ich werde mir nicht anmaßen, dir daran die Schuld zu geben. Ganz im Gegenteil.«
    Kaum hatte ich die letzten Worte ausgesprochen, als ein Knarren unsere Köpfe erschreckt herumschnellen ließ. Ein leises Geräusch ging einem dumpfen Schlag

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