Iacobus
Rey und schritten gerade über einen breiten Weg zwischen hohen Bäumen hindurch auf ein Gebäude zu, das eher einer Festung denn einem Kloster der Adelsdamen glich.
Seit Beginn unserer Reise hatten wir in keinem vornehmeren Hospiz genächtigt als im Hospital del Rey, wo uns die gefälschten Geleitschreiben Tür und Tor öffneten. Hier fühlten wir uns nicht wie arme Pilger, sondern vielmehr wie Nachkommen uralten Adels: königliche Schlafgemächer, die durch lodernde Feuer angenehm beheizt wurden, weiche Himmelbetten, an den Wänden Tapisserien, feine Stoffe, Bären- und Fuchsfelle auf den Stühlen und riesige Portionen eines wohlschmeckenden Mahls, welches das gesamte kastilische Heer Alfonsos IX. hätte verköstigen können. Die Laienbrüder, welche uns Pilger vornehmer Herkunft aus ganz Europa bedienten, waren so reinlich, gewissenhaft und dienstbeflissen, wie wir es noch nie zuvor erlebt hatten, und am erstaunlichsten war, daß jener Hort der Nächstenliebe und des Gebets nur einen kleinen Teil der ganzen Abtei von Las Huelgas Reales bildete, zu der darüber hinaus zahlreiche Konvente, Kirchen, Einsiedeleien, Dörfer, Wälder und Ländereien gehörten, die mit starker, eiserner Hand von einer einzigen Frau geführt wurden: der allmächtigen Äbtissin von Las Huelgas, einer Dame von hohem Stand, Superiorin und Prälatin mit unumschränkter, ja fast bischöflicher Gerichtsbarkeit.
Nach dem Essen machte ich mich so gut wie möglich zurecht (mit Le Mans' Dolch stutzte ich mir sogar meinen langen Bart), wobei mir der kalte Schweiß über den ganzen Körper lief. Jonas ließ ich dösend im Hospiz zurück und begab mich zum Pförtnerhaus des Klosters, das im Stil von Cíteaux errichtet worden war. Ein langes Schiff bildete den Eingangsbereich, wo man auf den Friesen Verzierungen aus Schlämmkreide sowie eine auf das Mauerwerk gemalte, lateinische Inschrift aus Psalmversen sehen konnte. Eine Laienschwester niederen Standes empfing mich mit viel Aufhebens und großer Ehrerbietung.
»Pax Vobiscum .«
»Et cum spiritu tuo .«
»Was führt Euch ins Haus des Herrn, Sire?«
»Ich würde gern mit Doña Isabel de Mendoza sprechen.«
Die alte Nonne, die ich mit meinem Wunsch wohl aus ihrer Versunkenheit riß, sah mich unter der schwarzen Haube hervor überrascht an.
»Die Stiftsdamen dieses Klosters empfangen keine Besuche, die nicht zuvor von der Äbtissin genehmigt worden sind«, erklärte sie.
»So richtet denn Eurer hohen Herrin aus, daß Don Galcerán de Born, päpstlicher Gesandter Seiner Heiligkeit Johannes XXII. ihr seine Ehrerbietung und seine besten Wünsche übermitteln möchte und ich über ein vom Papst höchstpersönlich ausgestelltes Privileg verfüge, um in diesem Konvent jederzeit von Doña Isabel de Mendoza empfangen zu werden.«
Die Laienschwester erschrak. Sie warf mir einen langen, argwöhnischen Blick zu und enteilte dann durch eine geschnitzte Eichentür, die unter dem müden Druck ihrer Hände nur schwerfällig nachgab. Wenig später erschien sie wieder in Begleitung einer anderen ehrwürdigen Schwester von vornehmer Erscheinung. Beide mußten wohl aufgrund ihrer Aufgaben von der Klausur ausgeschlossen sein.
»Ich bin Doña María de Almenar. Was führt Euch zu uns?«
Ich beugte ein Knie und küßte feierlich das reichverzierte Kruzifix des Rosenkranzes, das von ihrem Cingulum baumelte.
»Mein Name ist Don Galcerán de Born, edle Herrin, und ich führe ein Schreiben Papst Johannes' XXII. mit mir, um die Klausur dieses Klosters umgehen und mich mit Doña Isabel de Mendoza unterhalten zu können.«
»Laßt mich dieses Pergament sehen«, bat sie höflich. Von welcher Herkunft jene Nonne auch immer war, so handelte es sich zweifellos um eine Dame fürstlicher Abstammung. An ihren Umgangsformen merkte man, daß sie einen Großteil ihres Lebens am Hof verbracht haben mußte.
Ich reichte ihr die Dokumente, und nachdem sie sie einen Augenblick studiert hatte, verschwand sie durch dieselbe Tür, durch die sie gekommen war. Dieses Mal ließ sie lange auf sich warten. Vermutlich fand hinter jenen Mauern eine turbulente Diskussion statt, und die Äbtissin holte wohl überall Meinungen ein, da sie einen Betrug oder eine Fälschung befürchtete. Obwohl ich außerordentlich gut zu lügen verstand, war in diesem konkreten Fall das Privileg echt, von Johannes XXII. persönlich in jener Nacht, in der er mich mit der unangenehmen Aufgabe betraut hatte, die ich für ihn und meinen Orden längs des Jakobswegs
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