Iacobus
die Tempelherren seit den Zeiten König Balduins II. bis zum Verlust Jerusalems als Residenz wählten, als Mutterhaus. Selbst wenn es etwas wirr erscheint, könnte die Übersetzung von Adab Al-Acsa also ›Strafe der Einzigen‹ lauten oder eben ›Strafe der Templer‹.«
»Erstaunlich!«
»Es bleibt uns jedoch noch der zweite Name zu entziffern: Fat Al-Yedom. Wie Adab bereitet auch Fat nicht viele Schwierigkeiten. Es handelt sich dabei um Fath, was ›Sieg‹ bedeutet. Aber der Sieg von wem? Ehrlich gesagt entsinne ich mich nicht, jemals etwas über einen Mann oder einen Ort namens Al-Yedom gelesen zu haben, aber die Welt ist groß und wie Muhammad ibn Musa Al-Khowarizmi zeigte, ist sie eine riesige runde Kugel, die man ewig bereisen kann, ohne deren Anfang oder Ende zu finden. Vielleicht gibt es ja irgendwo einen Ort, der diesen Namen trägt.«
»Die Welt ist rund?« Jonas war empört und riß die Augen weit auf. »Was für ein Blödsinn! Wo doch jeder weiß, daß sie flach ist und sich im Osten und Westen auf zwei Säulen stützt und wir in einen unendlichen Abgrund stürzen würden, sollten wir diese äußersten Punkte überschreiten wollen.«
»Bis du genügend von Mathematik und Astronomie verstehst, lassen wir dich vorerst bei diesem dummen Glauben.«
»Es entspricht der Wahrheit, was die Kirche erklärt!«
»Wunderbar! Ich sagte dir bereits, daß ich das jetzt nicht eingehend zu besprechen gedenke. Es interessiert mich weit mehr, das Rätsel zu lösen, das sich hinter Al-Yedom verbirgt. Wenn unser Templerpaar wollte, daß man ihren Spuren bereits im Zwielicht folgen kann, wie dies beim ersten Namen der Fall war, so muß die Lösung des zweiten ebenfalls naheliegend sein, und wir müssen nur den Weg zurückgehen, den sie uns vorgezeichnet haben, als sie ihre arabischen Rufnamen aussuchten. Der erste bedeutet also so etwas Ähnliches wie ›Strafe der Templer‹, und der zweite beginnt mit ›Sieg des …‹. Ja, von wem? Einer Person, eines Orts, eines Symbols? Al-Yedom, Al-Yedom …« , murmelte ich unaufhörlich vor mich hin, um irgendeine Fährte im Klangbild zu finden. »Es kann doch nicht so kompliziert sein, sie wollten schließlich, daß es jemand entdeckt … Nehmen wir zunächst einmal an, es handelt sich um den Sieg von jemandem, wobei dieser Jemand Al-Yedom heißt …« Jäh hielt ich inne, so erstaunt war ich über die Brillanz des Einfalls. »Aber natürlich! Teufel, es liegt ja geradezu auf der Hand! Es ist so leicht, daß sie wahrscheinlich sogar unglaublich darüber lachen mußten, als sie es erfanden!«
»Also, ich verstehe es nicht.«
»Denk nach, Jonas. Wie lautet die erste Regel, wenn man eine Botschaft verschlüsseln will?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung, obwohl ich's sehr gern wüßte.«
»Man muß mit der Buchstabenfolge spielen, Jonas! Einfach nur die Wörter und Buchstaben vertauschen! Vor Jahren, aus Gründen, die jetzt nichts zur Sache tun, mußte ich einmal einige Traktate über den Gebrauch von Geheimalphabeten und verschlüsselten Sprachen studieren, und in allen empfahl man immer das einfachste System: Wortspiele, Antimetabolen, Assonanzen, Anagramme und Bilderrätsel. Denn bestimmt wird der Unwissende immer ein komplexes und unmögliches System oder einen Kode suchen und die einfachste und offensichtlichste Lösung übersehen.«
»Wollt Ihr damit sagen, daß man aus den Buchstaben von Al-Yedom auch ein anderes Wort bilden kann?« hakte Jonas gähnend nach und ließ sich dabei langsam auf seinen Umhang sinken. Trotz seines Aussehens war er doch nichts weiter als ein übermüdeter Junge.
»Denk nach, Jonas, los, denk nach! Es ist kinderleicht!«
»Ich kann nicht mehr denken, Sire! Ich schlafe gleich ein.«
»Molay, Jacques de Molay, der Großmeister! Das Y von Yedom hat mich darauf gebracht, verstehst du? Indem sie mit den Buchstaben spielten, bildeten sie aus de Molay Al-Yedom. ›Der Sieg des Molay‹ … Was hältst du davon, na? Äußerst einfallsreich, nicht wahr? … ›Strafe von Al-Aqsa‹, das heißt, die ›Strafe der Templer‹ und ›Molays Sieg‹. Mein lieber Junge, ich glaube, wir werden …«
Doch Jonas schlief bereits tief und fest vor dem Feuer, den Kopf auf seine Arme gebettet.
Eine Nacht ruhten wir uns in Vienne aus, und von dort ritten wir dann nach Lyon und weiter hinauf bis nach La Chaise Dieu, Nevers, Orléans und schließlich Paris. Eine lange, zehn Tage dauernde Reise, während der ich Jonas meine kärglichen Kenntnisse der
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