Iacobus
1314 bist du beim schrecklichen Spektakel zugegen, wie auf dem Scheiterhaufen ein paar Männer sterben, die du seit Jahren kennst, wichtige, mächtige Persönlichkeiten, deren Schuld nicht erwiesen ist und die darüber hinaus dir, als Mönche, untergeben sind, nur dir allein, und nicht dem französischen Monarchen. Als Papst hast du nur zaghaft versucht, sie vor den Wutanfällen und dem Machtstreben des Königs zu schützen, vor ihm, der dir das Papstamt übertrug und dir als solcher den Rücken stärkt, doch Philipp hat nun damit gedroht, einen Gegenpapst zu ernennen, falls du seinen Forderungen nicht nachkommst. Deshalb stehst du also dort, wohlwissend, daß Gott dich beobachtet und über dich richtet, und in dem Augenblick, als das Feuer an ihrem Fleisch zu lecken beginnt, verflucht dich der Großmeister des Templerordens und zitiert dich vor Gottes Thron, noch bevor ein Jahr um ist. Du erschrickst natürlich, versuchst, nicht daran zu denken, trotzdem kannst du es nicht verhindern; du hast Alpträume, es verfolgt dich … Du willst mit deinem ganz alltäglichen Leben eines Hirten der Kirche fortfahren, doch weißt du, daß über deinem Haupt das Damoklesschwert schwebt. Dann lassen dich deine Nerven im Stich. Nicht alle sind gleich, Jonas, es gibt Menschen, die standhaft auch noch das größte körperliche Leid ertragen und dennoch angesichts eines kleinen seelischen Kummers zusammenbrechen; andere hingegen überstehen tapfer große Schwierigkeiten und brüllen indessen beim kleinsten körperlichen Schmerz wie Tiere. Sicher war unser Papst ein willensschwacher und gläubiger Mensch und begann schon Höllenqualen zu leiden, ehe er überhaupt gestorben war. Fieber ist ein Symptom, das du bei gesunden und kranken Menschen beobachten kannst; selbst die Nerven können Fieberschübe hervorrufen und Erbrechen und ›flaue Mägen‹. Erinnerst du dich an die Weigerung des Papstes, etwas zu essen? Auch eine schwerfällige Atmung kann ein Anzeichen für verschiedene Leiden sein, ein Herzleiden kann man allerdings ausschließen, denn seine Lippen hatten eine gesunde Farbe, und er verspürte keinerlei körperliche Schmerzen. Folglich bleiben also nur die Lungen. Oder wiederum die Nerven. Bei Clemens V. glaube ich, daß alles auf einen schweren Fall von heftigen Gefühlswallungen zurückzuführen ist.«
»Ging es ihm also deshalb besser, nachdem er die Smaragde zu sich genommen hatte?«
»Er fühlte sich besser, weil er dachte, daß er wieder gesund würde.«
»Und stimmte das?«
»Die Fakten sprechen dagegen«, erklärte ich lachend.
»Aber das schwarze Blut … die Blutungen durch Mund, Nase und …«
»Nun, wir können zwischen zwei Erklärungen wählen: Die erste – aufgrund der Todesart die wahrscheinlichere von beiden – ist, daß die Splitter der zerstoßenen Smaragde dem Papst den Magen und die Gedärme verletzt haben, und die zweite – reine Spekulation –, daß jene beiden arabischen Ärzte verkleidete Templer waren, die ihm irgendein Gift in den Trank gemischt haben.«
»Und welche, denkt Ihr, trifft zu?«
»Los, Jonas, streng dich ein wenig an. Ich habe es dir so einfach wie möglich gemacht, führe mir jetzt deine deduktiven Fähigkeiten vor.«
»Aber ich habe doch nicht die leiseste Ahnung!« rief er gereizt aus.
»In Ordnung, ich helfe dir auf die Sprünge, allerdings nur, weil wir gerade erst damit begonnen haben. Später wirst du derjenige sein, der mir helfen muß.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
»Schauen wir also mal … So jemand wie der Papst, der an ein bequemes Leben gewöhnt ist, der nicht weiß, was Kälte ist noch Hunger, dem Dutzende von Menschen jeden seiner Wünsche erfüllen, der Köche hat, die ausschließlich ihn bekochen, Konzilsväter, die ihm als Lakaien dienen, und vieles mehr … glaubst du, daß so jemand eine Arznei aus zerstoßenen Smaragden einnimmt, die ihm die Eingeweide verletzen könnte?«
»Selbstverständlich nicht«, stimmte er zu, während er an seiner Unterlippe nagte und aufmerksam in die Flammen des Lagerfeuers blickte. »So jemand hätte lautstark protestiert, sobald auch nur der kleinste Splitter seine Zunge geritzt hätte.«
»Eben. So daß nur die Theorie vom Giftmord durch die Templer übrigbleibt. Du mußt wissen, daß es unzählige Giftstoffe und ebenso viele Mittel gibt, die, ohne zunächst giftig zu sein, es dann sehr wohl werden können, wenn man sie mit anderen, gleichermaßen harmlosen Substanzen mischt. Viele der Mittel, die wir
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