Iacobus
nicht ganz sicher … Wartet! Wartet einen Augenblick! Mir fällt gerade ein, daß ich in jener Nacht, als alles vorbei und das päpstliche Gefolge mit dem Leichnam abgereist war, die Namen der Ärzte aufgeschrieben habe, falls man mich doch noch einem Verhör unterziehen sollte.«
»Gut habt Ihr daran getan! Sucht bitte diesen Zettel!«
»Ich habe ihn hier irgendwo versteckt«, antwortete er, erhob sich und schlurfte in eine Ecke des Schankraums, wo im Gebälk tönernes Geschirr und Würste zum Dörren hingen. Mühevoll stieg er auf einen Schemel und holte einen der Tonkrüge von seinem Haken herunter. Allein, er war es nicht. Keuchend stieg er herunter, schob den Schemel etwas weiter nach rechts und kletterte wieder hinauf. Im zweiten Krug fand sich wohl, was er suchte, denn nun lächelte er zufrieden und zog aus dessen Innern mit zwei Fingern einen fettigen Zettel hervor.
»Hier ist er!«
Ich stand auf und trat zu ihm, um ihm das Stückchen Papier aus der Hand zu nehmen. Wie er dort oben auf dem Schemel stand, reichte der Wirt mir gerade mal bis zum Hals.
In der miserablen Handschrift eines Mannes, der nur das Nötigste zu schreiben gelernt hatte, um sein Geschäft führen zu können, stand auf dem Papierfetzen ›Adab Al-Acsa und Fat Al-Yedom‹ zu lesen.
»Das ist alles?« fragte ich. »Kann ich den Zettel behalten?«
»Das ist alles«, bestätigte der beleibte und schwitzende Wirt. »Ja, natürlich könnt Ihr ihn behalten.«
»Sehr gut. Und jetzt laßt uns unser Mahl bezahlen, und mein Schildknappe und ich werden glücklich und dankbar aufbrechen.«
»Um Gottes willen, edler Herr! Habt Ihr mich nicht schon genug entlohnt, indem Ihr meine Seele vor dem Teufel gerettet habt? Ihr schuldet mir nichts, vielmehr bin ich es, der in Eurer Schuld steht.«
»Nun denn, so werde ich das Geld den Priestern meiner Gemeinde in Valencia überreichen, damit sie für die Seele meines Vetters Messen lesen.«
»Gott möge Euch Euer gütiges Herz reichlich vergelten. Wartet einen Augenblick, ich werde sofort Eure Pferde bringen.«
Ich schaute Jonas an und erwartete eigentlich einen tiefen mißbilligenden Blick, doch waren seine Wangen vor Aufregung gerötet, und seine Augen funkelten vor Begeisterung.
»Ich habe Euch tausend Fragen zu stellen«, flüsterte er.
»Wenn wir von hier fort sind.«
Drei Stunden später stiegen wir an einer geschützten Wegkehre von unseren Pferden. Es war ein perfekter Platz am Ufer der Rhône, deren Lauf wir gen Norden, in Richtung ihres Ursprungs folgten. Dort wollten wir übernachten, denn vor dem folgenden Tag würden wir Vienne nicht mehr erreichen. Die vergangenen Stunden hatte ich darauf verwendet, Jonas vom Auftrag des Papstes zu erzählen sowie ihm die Einzelheiten der Geschichte darzulegen, die er aufgrund seines geringen Alters und seiner bisherigen Lebensweise nicht kennen konnte und die direkt mit unserer Aufgabe verknüpft waren. Während wir das Feuer entfachten, meinte er:
»Bruder, ich glaube, der Papst hat so große Angst vor dem Tod, daß er dem Gesuch von Don Dinis stattgeben wird, wenn Ihr ihm sagt, daß die Templer seinen Vorgänger tatsächlich getötet haben, um nicht mit der Bedrohung leben zu müssen; und wenn Ihr ihm sagt, daß dem nicht so war, daß die Templer dessen Tod nicht verschuldet haben, er es ablehnen wird, um sich ihrer ein für allemal zu entledigen.«
»Du hast möglicherweise recht, mein Junge. Jedenfalls müssen wir genau das ergründen.«
»Und Ihr wißt bereits etwas, nicht wahr? All diese Lügen und Verstöße gegen das erste Gebot haben Früchte getragen, stimmt's?«
»Das einzige, was wir sicher wissen, ist, daß zwei arabische Ärzte Clemens V. vor seinem Tod untersuchten. Mehr nicht.«
»Und was sagt Ihr zu dem Heilmittel? Den Smaragden?«
»Es ist eine gängige Arznei für diejenigen, die es sich erlauben können, zur Bekämpfung von Krankheiten Edelsteine zu sich zu nehmen.«
»Und stimmt es, daß sie Wirkung zeigen?«
»Eigentlich nicht, das muß ich zugeben. Aber mit der Zeit wirst du lernen, daß nicht nur die richtige Zubereitung Krankheiten heilt. Es ist dir hoffentlich nicht entgangen, daß es dem Papst besser ging, als er den Trank eingenommen hatte, oder?«
»Aber an was litt er? Ihr habt viele Fragen dazu gestellt.«
»Aus allem, was ich herausfinden konnte, folgere ich, daß Seine Heiligkeit kein besonders reines Gewissen hatte … Stell dir vor, Jonas, du wärst Clemens V. Am neunzehnten Tag des März Anno Domini
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