Iacobus
hervorstach.«
»Und folglich?«
»Wenn ich ihm mit der Arroganz, die er verdiente, begegnet wäre, hätte er mir die zehn Goldmünzen ebenfalls abgenommen, aber wir wären jetzt nicht auf dem Weg zu seiner Hütte. Das Glück ist mit uns, Jonas: Vergiß nicht, daß eine Frau, so ordinär sie auch sein mag, immer freundlicher und gesprächsbereiter ist, vor allem, wenn sie ihr Leben eingesperrt in einer elenden Hütte mitten im Wald verbringt.«
Wir fanden die Häuslerin vor der Tür ihrer Hütte, wie sie gerade die Beine auf einen Stuhl legte und dabei einen tiefen Schluck aus einem Krug nahm. Die Hütte war schäbig und schmutzig … genauso wie die Frau selbst, die irgendwann einmal Zähne und Haare gehabt haben mußte, auch wenn dies fast unmöglich schien. Auf Jonas' Gesicht zeichnete sich Ekel ab, und wie er dachte auch ich, daß wir meinetwegen jenen Ort schnellstens hinter uns lassen könnten. Aber diese Frau, oder irgend jemand, der wie sie in jener Gegend hauste, mußte mir die Auskunft verschaffen, die ich benötigte.
»Der Friede Gottes sei mit Euch, Madame!« rief ich, als wir näherkamen.
»Was wollt Ihr?« fragte sie völlig ungerührt.
»Euer Mann schickt uns, dem wir zehn Goldmünzen dafür bezahlt haben, daß Ihr uns etwas Wein zu trinken gebt, bevor wir unseren Weg nach Paris fortsetzen.«
»So steigt von Euren Pferden und bedient Euch, gleich hier habe ich einen Krug voll stehen.«
Jonas und ich saßen ab, banden die Tiere an einen Baum und wandten uns der Frau zu.
»Ihr habt ihm die zehn Goldmünzen auch ganz sicher bezahlt?«
»Gewiß, Madame, da ich allerdings merke, daß Ihr mir mißtraut, gebe ich Euch noch eine weitere Münze. Wir hatten uns im Wald verirrt, und wäre Euer Mann nicht gewesen, so hätten wir hier nie im Leben wieder herausgefunden.«
»Setzt Euch und trinkt!« sagte sie und deutete auf ein paar hölzerne Bänke. »Der Wein ist gut.«
Der Wein war eigentlich widerlich, er schmeckte wie Essig; doch was sonst hätte als Vorwand dienen können, um eine Unterhaltung in Gang zu setzen?
»Und was wolltet Ihr hier in der Gegend? Schon lange ist niemand mehr aus der Stadt nach Pont-Sainte-Maxence gekommen.«
»Mein junger Freund und ich sind coustillier s des Königs Philipp des Langen, den Gott noch viele Jahre beschützen möge.«
Die Frau glaubte mir nicht.
»Wie könnt Ihr coustillier des Königs sein, wenn Ihr keine Franzosen seid? Euer Akzent ist … seltsam, jedenfalls nicht von hier.«
»Wahrlich, Ihr habt recht, Madame! Ich sehe, Ihr seid eine intelligente Frau. Meine Mutter war Französin, Tochter des Grafen Brongniart, von dem Ihr sicherlich schon gehört habt, denn er war Berater Philipps III. des Kühnen. Mein Vater hingegen stammte aus Navarra und war Untertan Ihrer Majestät Königin Blanche d'Artois, die er auf der Flucht mit ihrer kleinen Tochter Johanna nach Paris begleitete, als sie den aragonesischen und kastilischen Machtbestrebungen entkommen wollten. Diese alte Geschichte kennt jeder. Als meine Mutter starb, kehrte mein Vater in sein Heimatland zurück und nahm mich mit. Erst vor kurzem bin ich nach Frankreich zurückgekommen, und der König hielt es für richtig, mich zum coustillier seines gabinet zu ernennen, weil ich ein Brongniart bin.«
Die Alte war angesichts solcher Anhäufung von Namen von altem Adel überwältigt, und ich schloß meinen Vortrag, indem ich mit unschuldiger und zerstreuter Miene einen Schluck des essigsauren Weins nahm, so wie jemand, der etwas so Wohlbekanntes und Offensichtliches erzählt hat, daß dem nichts mehr hinzuzufügen war.
»Sagt mir, Sire, was hat Euch in diese Wälder geführt?«
»Nun, Madame, Papst Johannes hat den König um einen vollständigen Bericht über den Tod seines Vaters, König Philipp IV. des Schönen, ersucht; ich weiß nicht, ob Ihr darüber im Bilde seid, daß er nur ›Das Kreuz, das Kreuz …‹ stammelte, als man ihn hier in diesen Gefilden nach seinem Sturz vom Pferd fand. Der Papst zeigt großes Interesse, ihn heilig zu sprechen, so wie Bonifaz VIII. 1297 Louis IX., den Urgroßvater unseres jetzigen Monarchen, heilig gesprochen hat. Jedoch laßt mich Euch ein Geheimnis anvertrauen, Madame …« Ich senkte die Stimme, als ob wir uns nicht inmitten eines dunklen Waldes, sondern auf einem Viehmarkt oder auf einem öffentlichen Platz befänden: »Der König wünscht nicht, daß man seinen Vater heilig spricht. Das fehlte gerade noch, wenn er sich bis in alle Ewigkeit mit einem
Weitere Kostenlose Bücher