Iacobus
heiligen Urgroßvater und einem heiligen Vater belasten müßte! Jeder Vergleich würde zu seinen Ungunsten ausfallen.«
»Gewiß, gewiß …«, stimmte die häßliche Alte begeistert zu.
»Deshalb hat der König anstelle der königlichen Wache oder der Bischöfe oder seiner Berater uns geschickt, zwei coustilliers , um die Hintergründe aufzudecken, die den Tod seines Vaters begleiteten, jedoch wies er uns mit Nachdruck darauf hin, daß wir etwas finden sollten, was die Wünsche des Papstes Johannes zunichte mache. Aus diesem Grund müssen wir unbedingt jemanden ausfindig machen, der genau Bescheid weiß, was an jenem Tag tatsächlich geschah, der alle Einzelheiten kennt und der gegen eine kleine Belohnung bereit ist zu reden. Kennt Ihr vielleicht so jemanden?«
»Ich selbst, Sire!«
»Ihr, Madame? Wie ist das möglich?« fragte ich überrascht.
»Mein Mann und ich sind über alles im Bilde. Wißt Ihr nicht, daß in diesen Wäldern nichts geschieht, ohne daß es die zehn oder fünfzehn hier hausenden Leibeigenen erfahren?«
»Ah, das ist aber interessant! Schau, Jonas, diese Frau ist die Person, die wir gesucht haben. Wie heißt Ihr, Madame?«
»Marie, Sire, Marie Michelet, und mein Mann, Pascale Michelet.«
»So seht, ich gebe Euch hier noch weitere fünf Goldmünzen, die mit der von vorher und den zehn, die ich Eurem Mann schon überreicht habe, ein kleines Vermögen bilden.«
»Was geht mich das an?« fuhr sie verärgert auf. »Was Ihr meinem Mann in die Hand gedrückt habt, war für den Wein und die Wegbeschreibung, und die Münze bei Eurer Ankunft gabt ihr mir aus Wohlgefallen. Für nur fünf Goldmünzen weiß ich nicht, ob ich mich an alles erinnern kann.«
»Aber seht doch her, Marie, ich habe nicht mehr bei mir, und was ich Euch gab, löst Eure sämtlichen Probleme«, wandte ich ein. »Also gut … Ihr habt recht. Vielleicht birgt Eure Auskunft irgendeine wichtige Einzelheit, die großzügig entlohnt werden muß. So nehmt denn … Das sind meine letzten vier Goldmünzen. Zwanzig hatte ich bei mir, und keine bleibt mir jetzt noch.«
»Ihr könnt fragen, was Ihr wollt«, antwortete die alte Marie und griff gierig nach den Münzen. Bei mir dachte ich, daß das Elend neues Elend erzeugt. Wenn diese Frau im Schoß einer vornehmen Familie geboren worden wäre, so wäre sie heute vielleicht eine großzügige und elegante Dame, geachtete Mutter und Großmutter, und würde Geld höchstwahrscheinlich eher geringschätzen.
Marie berichtete, daß sich etwa einen Monat vor dem Unglückstag zwei freie Bauern in der Gegend von Pont-Sainte-Maxence niedergelassen hatten und mangels anderer Arbeit den Holzfällern zur Hand gegangen waren. Hin und wieder, wenn irgend jemand ein Stück Wild erlegt hatte – »das dürft Ihr allerdings Seiner Heiligkeit nicht erzählen, Sire, denn Ihr wißt schon, es ist ein Vergehen, die Tiere des Königs zu erlegen« –, zogen sie ihm auch das Fell ab und fertigten aus dem Leder Hosen, Hemden und Dolchhüllen. Jene beiden Bauern nannten sich Auguste und Felix und kamen aus Rouen, und sie waren es, die den Hirsch gesichtet hatten, »ein riesiger Hirsch, Sire, ein Hirsch so groß wie ein Pferd, mit glänzendem Fell und gewaltigem Geweih, ein Zwölfender«.
»Hat ihn sonst noch jemand gesehen, Marie?«
»Wen denn, meine Güte?«
»Den Hirsch! Sah ihn sonst noch jemand außer Auguste und Felix?«
»Ich wüßte nicht, ob …« Die Alte dachte angestrengt nach; sie schien schlau und aufgeweckt zu sein – Hunger rüttelt wohl den Dümmsten wach –, ihr Leben war hingegen hart gewesen, und das Gehirn war nicht gerade der Körperteil, der bei ihr am besten entwickelt war. »Ja, ich glaube schon, aber ich bin mir nicht sicher. Ich erinnere mich nicht genau, ob der Sohn von Honoré, einem Holzfäller, der etwas weiter oben im Norden wohnt, behauptete, ihn ebenfalls gesehen zu haben, oder es ihm zumindest so schien … ich weiß nicht.«
»Ist gut, macht Euch keine Gedanken. Erzählt weiter.«
Auguste und Felix waren von dem Tier begeistert. Tag und Nacht folgten sie ihm durch den Wald, erlegten es jedoch nicht; die beiden jagten nie, und außerdem meinten sie, daß ein solches Tier es verdiene, durch die Hand eines Königs zu sterben. Als Philipp der Schöne an jenem Tag mit seinem Gefolge eintraf, berichtete Pascale ihm von dem Hirsch und den Wundern, welche die Bauern aus Rouen über das Tier erzählt hatten.
»Und der König jagte daraufhin begeistert dem Hirsch mit dem
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