Iacobus
Alte, die fritierte Küchlein verkaufte, und begann mit ihr eine interessante Unterhaltung über die Gewohnheiten der Schloßbewohner. Sie erzählte mir, daß die Kutsche von Mathilde d'Artois so wie jeden Tag bald durch eine der seitlichen Pforten der Rue de la Barillerie herauskäme, und wenn ich aufpassen würde, könne ich sie am Tour de l'Horloge vorbeifahren sehen. Da sagte ich mir, daß eine so wichtige Dame am hellichten Tag nicht ohne Begleitung ihrer Hofdamen den Palast verlassen kann, weshalb besagte Beatrice d'Hirson sicherlich im Innern der Kutsche sitzen mußte. Als die Alte mir das luxuriöse Gefährt der Königinmutter zeigte, schätzte ich deshalb geschwind die Entfernung und den Anlauf für den nötigen Sprung ab, um mich an der Kutschentür hochziehen zu können.«
»Allmächtiger Gott, Jonas!«
»Ihr würdet gut daran tun, in meiner Gegenwart nicht zu fluchen, Sire, oder ich sehe mich dazu gezwungen, nicht mehr mit Euch zu reden!«
»Sei nicht so zimperlich, mein Junge!« protestierte ich zornig und stampfte so heftig auf, daß es auf dem Holzfußboden wie ein Paukenschlag klang. »Mehr als ein Novize scheinst du manchmal eher eine empfindliche junge Dame zu sein. Ich habe Novizen mit einem weitaus schlechteren Vokabular kennengelernt als dem meinen.«
»Das werden wohl solche Eures Ordens gewesen sein, die weder Novizen noch sonst etwas sind.«
Ich hatte gute Lust, ihn zu ohrfeigen, erinnerte mich jedoch gerade noch rechtzeitig daran, daß er nicht umsonst und in hohem Maß durch meine Schuld vierzehn Jahre lang bei den Mönchen des heiligen Mauritius gelebt hatte. Er machte erstaunliche und große Fortschritte, so daß ich ihm etwas mehr Zeit lassen sollte.
»Verdammt noch mal!« schrie ich deshalb aus voller Lunge und schlug mit der Faust auf mein Schreibpult, »erzähl endlich weiter!«
Jemand anderes an seiner Stelle wäre eingeschüchtert gewesen, doch nicht Jonas: Er setzte sich bequem zurecht, lehnte den Rücken gegen die Wand und schaute mich herausfordernd an.
»Schön, also … als die Kutsche von Mathilde d'Artois fast auf meiner Höhe angekommen war, nahm ich Anlauf und sprang. Direkt an der Schnauze eines der Pferde der Wachen vorbei. Meine Statur begünstigte die List. Ich steckte meinen Kopf durch die Fensterluke und fragte mit sanfter und galanter Stimme: ›Ist Beatrice d'Hirson unter Ihnen?‹ Drei Frauen saßen darin, aber ich hätte nicht sagen können, wer wer war; lustig war indes, daß sich die Augen zweier Damen auf eine dritte richteten, die still und verschreckt in einer Ecke der Karosse saß. Ich folgerte daraus, daß besagte Dame Beatrice sein mußte und streckte ihr Euer Schreiben entgegen, doch da zogen von hinten auch schon die Wachen an mir, die wie verrückt schrien und mit all ihrer Kraft auf meinen Rücken und Hintern einschlugen. Ich schaute die Dame an, widmete ihr mein schönstes Lächeln, um wie ein junger Galan zu erscheinen, und ließ die Nachricht in ihren Schoß fallen, während ich freundlich zu ihr sagte: ›Lest es, Madame, es ist für Euch.‹ Dann sprang ich ab und fiel zum Glück in eine Schlammpfütze.« Er seufzte und betrachtete kummervoll seine schmutzigen neuen Strümpfe. »Die Wachen prügelten auf mich ein, bis ich Richtung Pont aux Meuniers losrannte wie jemand, hinter dem der Teufel her ist, und dort verlor ich mich dann in der Menschenmenge. Nun«, schloß er zufrieden, »was haltet Ihr von meinem Auftritt?«
Meine Brust zersprang vor väterlichem Stolz.
»Nicht schlecht, nicht schlecht …«, murmelte ich mit gerunzelter Stirn. »Du hättest in den Kerkern des Königs enden können.«
»Aber ich bin hier, und alles ist hervorragend ausgegangen: Madame hat Eure Botschaft, und nun müssen wir nur noch ihre Antwort abwarten … Paris begeistert mich wirklich! Euch nicht auch?«
»Wenn ich wählen könnte, zöge ich eine etwas ruhigere Stadt vor.«
»Ja, ich verstehe«, murmelte er arglos. »Im fortgeschrittenen Alter hat man andere Vorlieben.«
Der Wald von Pont-Sainte-Maxence war so undurchdringlich und dunkel, daß man, obwohl es ein sonniger Frühlingstag war, das dumpfe Gefühl nicht loswurde, einen Ort voller Gefahren und tiefer Geheimnisse zu betreten. Ab und zu blickte ich zu den Baumkronen hoch, vermochte dort aber kaum einen Spalt zu erspähen, durch den sich das Sonnenlicht mogeln konnte. Nur die Vögel schienen sich in den Wipfeln wohl zu fühlen. Zweifellos war Pont-Sainte-Maxence ideal für die Jagd von
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