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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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wunderbaren Geweih nach.«
    »Hihihi, das will ich wohl meinen! Und brachte sich dabei um!«
    »Und wo waren Auguste und Felix an jenem Tag?«
    »Sie meinten, sie wollten sich die Jagd nicht entgehen lassen und auf jenen Hügel dort hinaufsteigen.« Mit einem dicken, schmutzigen Finger zeigte sie auf einen Hügel zu ihrer Rechten. »Dort hinauf, seht Ihr? Um alles von oben beobachten zu können.«
    »Waren sie bewaffnet?«
    »Bewaffnet? Auguste und Felix? Unsinn! Die beiden trugen niemals Waffen bei sich. Hatte ich Euch nicht bereits gesagt, daß sie nie auf die Jagd gingen?«
    »Indessen wußten sie Scheiden für Dolche herzustellen.«
    »Und das sogar sehr gut! Im Haus müßte ich eine haben, wollt Ihr sie sehen?«
    »Nein, das wird nicht nötig sein.«
    »Auguste und Felix stiegen unbewaffnet den Hügel hinauf. An jenem Tag trugen sie nur ihre Stöcke bei sich, mit denen sie sich einen Weg durch das Gestrüpp bahnten.«
    »Und die Hunde, Marie? Warum waren sie nicht beim König, als er vom Hirsch angefallen wurde?«
    »Der König war schneller als die Hunde.«
    »So schnell ritt er?«
    »Er flog! Die Meute rennt immer voran, um die Fährte des Wildes aufzuspüren, doch glaubte der König, den Hirsch in einer anderen Richtung gesichtet zu haben, weshalb er sich von seinem Gefolge trennte.«
    »Und das Jagdhorn? Warum blies er es nicht, als er sich verirrt hatte und der Hirsch ihn angriff?«
    »Er trug es nicht bei sich.«
    »Er trug es nicht bei sich?« fragte ich überrascht. »Kein Jäger geht ohne sein Horn auf die Jagd.«
    »So ist es, und der König hatte auch ein sehr gutes, das an seinem Gürtel befestigt war; ich habe es gesehen. Es war mittelgroß, aus purem Gold und mit Edelsteinen besetzt. Es muß ein Vermögen wert gewesen sein.«
    »Und wie ist es möglich, daß er es danach nicht mehr bei sich führte?«
    »Was weiß ich! … Ich weiß nur, daß Pascale danach eine Woche lang die Gegend, wo das Wild den König angefallen hatte, absuchte, denn er meinte, daß das Horn schon nicht mehr da war, als man den Fürsten fand und er nur noch ›das Kreuz, das Kreuz …‹ schrie. Und er muß es wohl auch nicht mehr bei sich gehabt haben, als er angegriffen wurde, sonst hätte er seine Begleiter doch zu Hilfe gerufen. Sie haben es beschworen.«
    »Pascale suchte es natürlich, um es wieder zurückzubringen«, bemerkte ich spöttisch.
    »Natürlich …«, brummte Marie.
    »Ich will nur noch eines wissen, Marie. Wo sind Auguste und Felix jetzt?«
    »Huch, was für eine Frage. Das wissen sie nicht einmal selbst.«
    »Warum?« wollte Jonas wissen.
    »Weil sie uns verließen, um sich irgendwo anders Arbeit zu suchen. Bis Ostern blieben sie noch hier, und danach kehrten sie nach Rouen zurück. Kurz darauf brach die Hungersnot aus. Die Leute krepierten wie Hunde, die sich um einen Bissen Brot balgen. Die beiden besuchten uns noch einige Male, vielleicht ein Jahr lang, und dann erzählten sie, sie würden in Flandern Arbeit suchen, in den Tuchwerkstätten. Seither haben wir nichts mehr von ihnen gehört …« Marie rekelte sich bequem auf ihrem Schemel und erklärte damit die Unterhaltung für beendet. »Habt Ihr nun gefunden, was Ihr gesucht habt, um dem König gefällig zu sein?«
    »Ja«, entgegnete ich und stand auf; Jonas tat es mir nach. »Ich werde ihm erzählen, daß Ihr mir wirklich sehr behilflich wart.«
    Neugierig betrachtete uns die Alte von ihrem Schemel aus.
    »Wenn es nicht so wäre, wie Ihr … würde ich sagen …«
    Brüsk wandte ich mich ab. Ich, der ich mich rühme, bei meinen Lügengespinsten besonders zu glänzen, benehme mich wie ein Adlatus, wenn die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen.
    »Aufs Pferd, Jonas. Adieu, Marie, ich wünsche Euch, daß Ihr Euch des Geldes erfreuen könnt, welches Ihr dank des Papstes verdient habt!«
    Zwei Tage, nachdem Jonas auf jene höchst diskrete und maßvolle Weise Beatrice d'Hirson meinen Brief überbracht hatte, erreichte uns schließlich ihre Antwort durch einen alten Diener, der wie Espenlaub zitterte, als er sie mir übergab.
    Aus der Art, wie ich ihn danach mit der Geschwindigkeit eines jungen Burschen die Treppen hinunterrennen sah, schloß ich, daß seine völlig ungerechtfertigte Angst nur ein matter Widerschein dessen war, was er bei seiner Herrin erahnt hatte, als sie ihm die Nachricht übergab, die nun in meinen Händen lag.
    An jenem Tag fühlte ich mich erschöpft und verspürte einen bitteren Schmerz in irgendeinem Teil meiner Seele, den zu

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