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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Hochwild, dessen Röhren überall zu hören war, doch schien es eher ein verwunschener Wald in der Gewalt von Teufelsanbetern zu sein denn ein Ort der Muße.
    Er lag nicht sehr weit von Paris entfernt – wenn man die Pferde antrieb, konnte man in zwei Stunden bequem die fünfzehn Meilen Entfernung zurücklegen –, der Unterschied zwischen Stadt und Wald war allerdings so groß wie der zwischen jedem Ort dieser Welt und der Hölle. Es war darum nicht weiter verwunderlich, daß nach dem betrüblichen Tod Philipps des Schönen der Hof die Jagd in jenen Hoheitsgebieten der Krone aufgegeben hatte.
    Auf einem kleinen Pfad drangen Jonas und ich in das Dickicht vor, ließen dabei aber unsere Umgebung nicht aus den Augen, als ob wir den plötzlichen Angriff eines Heers böser Geister fürchteten. Als wir die dumpfen Hiebe einer Axt vernahmen, blieb uns fast das Herz stehen, und wir hielten die Pferde mit einem jähen Zerren der Zügel an.
    »Was war das?« fragte Jonas verängstigt.
    »Beruhige dich, mein Junge. Das ist nur ein Holzfäller. Laß uns ihn suchen gehen, vielleicht ist er derjenige, den wir brauchen.«
    Wir gaben den Pferden wieder die Sporen und trieben sie zum Galopp an, um uns schnell der Waldlichtung zu nähern, woher die Axthiebe zu uns drangen. Ein buckliger Alter von ungefähr sechzig Jahren bearbeitete schwerfällig die Überreste eines Baumstamms; er sah müde und verschwitzt aus, und aufgrund des bläulichen Schimmers seiner Haut schien es mir, daß er nicht mehr lange zu leben hatte. Ein gewaltiger feuchter Fleck zeichnete sich zwischen seinen Hosenbeinen ab und verriet eine Inkontinenz, die mein Geruchssinn schon von weitem bemerkt hatte. Als er uns kommen sah, richtete er sich auf, so weit ihm sein Höcker dies erlaubte, und schaute uns mißtrauisch entgegen.
    »Was habt Ihr in dieser Gegend verloren?« schnauzte er uns geradeheraus mit rauher und barscher Stimme an.
    »Eine seltsame Begrüßung, mein Freund!« rief ich aus. »Wir sind rechtschaffene Männer, die ungewollt vom Weg abgekommen sind und die sich gerettet glaubten, als sie Eure Axthiebe hörten.«
    »So habt Ihr Euch denn geirrt!« brummte er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    »Mein Freund, bitte, wir werden Euch auch reichlich entlohnen. Sagt, wie findet man aus diesen Wäldern wieder hinaus? Wir wollen nach Paris zurückkehren.«
    Er hob den Kopf, und ich konnte einen überraschten Ausdruck in seinem Gesicht sehen.
    »Wieviel bezahlt Ihr?«
    »Was haltet Ihr von drei Goldmünzen?« schlug ich vor, wohlwissend, daß dieses Angebot übertrieben war; ich wollte verzweifelt erscheinen.
    »Weshalb nicht fünf?« feilschte dieser Gauner noch weiter.
    »Ist gut, mein Freund, wir werden Euch zehn geben, zehn Goldmünzen, aber für diese Summe wollen wir auch einen Becher Wein. Wir sind durstig und müde nach einer so langen Zeit des Herumirrens.«
    Die Äuglein des Strolchs glänzten im Sonnenlicht wie Glasperlen; er hätte sich zu Tode geärgert, hätte er gewußt, daß ich mein Angebot sogar bis auf zwanzig Goldmünzen erhöhen wollte; seine Habsucht hatte ihn hingegen verraten.
    »Gebt mir das Gold«, forderte er mit ausgestreckter Hand. »Gebt es mir.«
    Ich ritt hin und beugte mich dann zu ihm hinunter, um in seine schmutzige Hand die Münzen zu legen, die er sofort gierig umklammerte.
    »Wenn Ihr dahin zurückreitet, woher Ihr gekommen seid, und dabei immer den rechten Waldweg nehmt, gelangt ihr zur Straße nach Noyon.«
    »Danke, mein Freund. Und der Wein?«
    »Ah, ja … Schaut, hier habe ich keinen, aber wenn Ihr eine Meile in jene Richtung reitet«, sagte er und deutete gen Norden, »stoßt Ihr auf mein Haus. Richtet meinem Weib aus, daß ich Euch geschickt habe. Sie wird Euch aufwarten.«
    »Gott möge es Euch vergelten, mein Freund.«
    »Das habt Ihr schon getan, Sire.«
    »Warum behandelt Ihr einen gewöhnlichen Untertanen mit soviel Höflichkeit?« fragte mich Jonas, sobald wir weit genug entfernt waren, um nicht mehr gehört zu werden. »Dieser Mann ist ein Leibeigener, wenn auch einer des Königs, und außerdem ein Langfinger.«
    »Ich gehöre nicht zu denen, die Unterschiede aufgrund der Abstammung machen, Jonas. Unser Herr Jesus Christus war Sohn eines Zimmermanns, und die meisten seiner Apostel waren nichts weiter als einfache Fischer. Die einzig mögliche Ungleichheit zwischen Menschen liegt in deren Güte und Intelligenz, obwohl ich zugeben muß, daß in diesem Fall hier weder das eine noch das andere

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