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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Nachmittag war die Wirtin der Herberge auf meine Bitte hin in unserer Kammer erschienen, um uns den Bart zu scheren und das Haar zu stutzen. Jonas hatte sich allerdings rundheraus geweigert, seine Mähne kürzen zu lassen: In Paris' Gassen hatte er die gleichaltrigen Jungen mit langem Haar gesehen – Symbol für den freien Adelsstand – und beschlossen, es ihnen gleichzutun; stolz auf seine erwachende Männlichkeit hatte er sich ebenso geweigert, das Messer über seine Wangen schaben zu lassen, obwohl sich nur ein leichter, dunkler Flaum am Kinn abzeichnete. Ich glaube, daß dieses neue Verhalten, das er hinsichtlich seines Aussehens an den Tag legte, seine Art war, mir zu zeigen, daß er nicht mehr ins Kloster zurück wollte.
    »Ich habe gerade über unseren Ritt neulich nach Pont-Sainte-Maxence nachgedacht, Sire«, begann er, während er auf und nieder hüpfte, damit ihm nicht kalt wurde.
    »Und was ist dabei rausgekommen?« fragte ich lustlos.
    »Wollt Ihr, daß ich Euch meine Theorie über den Tod Philipps des Schönen darlege?«
    »Nur zu, ich höre.«
    Noch immer hüpfte er wie ein Hase umher und stieß dabei große Wolken milchigen Atems aus. Hinter unserem Rücken wurden im beeindruckenden, quaderförmigen Louvre die letzten Fackeln in den Geschütztürmen gelöscht. Obschon in wenigen Minuten Paris völlig im Dunkeln liegen würde, sah man doch noch einige diskrete Leuchter hinter ein paar Fenstern und Balkonen des Schlosses funkeln, dank derer man vor dem pechschwarzen, nächtlichen Hintergrund die hohe Silhouette des Festungsturms ausmachen konnte, der sich aus dem Innenhof des Schlosses wie ein Pfeil erhob, der bedrohlich auf den Himmel zielte.
    »Ich glaube, daß Auguste und Felix unsere beiden alten Templer-Freunde Adab Al-Aqsa und Fath Al-Yedom sind und daß sie sich mit reichlich Zeit in Pont-Sainte-Maxence häuslich niederließen, um ihre Falle vorzubereiten: Sie wußten, daß der König früher oder später dort auf die Jagd gehen würde. Deshalb verbreiteten sie unter den Leibeigenen das Gerücht über das wundervolle Hochwild, und als der König erschien, stiegen sie auf den Hügel hinauf und warteten den günstigsten Moment ab. Das Glück war ihnen hold, und der König trennte sich von seiner Jagdgesellschaft, als er glaubte, das Tier gesehen zu haben. Dann …«, er hielt einen Moment nachdenklich inne, bevor er fortfuhr, »… das kann allerdings nicht sein, denn wenn sie auf dem Hügel waren …«
    »Sie waren aber nicht auf dem Hügel«, sprang ich ihm bei.
    »Aber die Alte hat doch gesagt …«
    »Kehren wir zum Anfang zurück. Woher weißt du, daß es unsere Templer waren?«
    »Also, ich habe keine Beweise, aber ist es nicht seltsam, daß die arabischen und die französischen Namen mit denselben Buchstaben, A und F, beginnen? Es muß sich um dieselben Templer handeln, die auch in der Schenke von François in Roquemaure waren, oder?«
    »Du folgerst richtig, aber es gibt etwas, was deine Theorie noch viel besser bestätigt. Den Templern wird die Jagd durch ihre Ordensregeln ausdrücklich untersagt. Du hast gehört, wie die Frau des Holzfällers sagte, daß Auguste und Felix nie auf die Pirsch gegangen sind, nicht wahr? Ein Ritter des Templerordens darf weder mit Vögeln oder Hunden noch mit Bogen oder Armbrust jagen. Die einzige Jagd, die ihm erlaubt ist, ist die Jagd auf Löwen, aber nicht etwa auf echte Löwen, sondern die auf den symbolischen, Sinnbild des Satans. Aus diesem Grund sah man Auguste und Felix nie Wild erlegen.«
    »Verflu…«
    »Aber mein Junge, du fluchst ja«, bemerkte ich spöttisch.
    »Das ist nicht wahr!«
    »Doch, ich hab's genau gehört. Du wirst deine Sünde beichten müssen«, entgegnete ich boshaft.
    »Gleich morgen früh werde ich gehen.«
    »So ist es recht. Aber fahren wir fort. Bevor ich dich unterbrach, hast du bezweifelt, daß sie den König getötet haben, da sie oben auf dem Hügel waren.«
    »Und Ihr habt eingewandt, das stimme nicht, sie härten nicht dort oben gestanden.«
    »Natürlich. Wenn sie auf dem Hügel gewesen wären, hätten sie ihn nicht umbringen können. Und selbstredend waren sie es.«
    »Wo waren sie dann?«
    Ich wickelte mich enger in meinen Mantel und hoffte inständig, daß die edle Dame Beatrice d'Hirson nicht mehr lange auf sich warten ließ.
    »Zuerst einmal ist es wichtig, daß wir den Hirsch als gegeben ansehen, es gab ihn wirklich, zwar nicht irgendeinen wunderbaren, sondern möglicherweise nur einen gezähmten, sehr

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