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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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kaufte ich uns von meinen letzten Münzen Leinen und Salbe sowie etwas Gerstenbrot und Honig. Mit einer feinen Nadel aus Knochen stach ich die Blasen an unseren Füßen auf, achtete dabei aber darauf, nicht die tote Haut zu ritzen, als ich die Gewebsflüssigkeit herausdrückte, und strich danach sorgfältig die Salbe auf die Wunden. Obwohl wir große Lust verspürten, den berühmten Friedhof von Aliscamps zu besuchen, auf dem der Sage nach die zehntausend Krieger des Heeres Karls des Großen ruhten, versagten uns die Körper den Dienst und zwangen uns dazu, auf einem kleinen Platz neben einem Brunnen bis zum Einbruch der Nacht zu rasten. Dann gingen wir zur Kirche St-Honoré zurück, um dort den nächsten Tag, einen Sonntag, abzuwarten, an dem der feierliche Gottesdienst stattfinden sollte, während dem den zahlreichen Concheiros , die sich in den letzten Wochen zu diesem Zweck in Arles eingefunden hatten, der Segen erteilt werden sollte. Für gewöhnlich reisten die Pilger in Gruppen, um sich vor Banditen und Wegelagerern zu schützen, welche die Pilgerstraßen unsicher machten. Ich hatte jedoch nicht die Absicht, mich irgend jemandem anzuschließen (zumindest, wenn wir erst einmal in Aragón angekommen waren), es schien aber überaus ratsam, den langen Weg mit den Speisen und Geschenken in Angriff zu nehmen, welche die Stadt den Pilgern bei ihrem Aufbruch überreichte.
    Bereits in den frühen Morgenstunden versammelte sich die Menschenmenge an den Portalen der Basilika. Es herrschte eine feierliche Stimmung, wozu auch das Wetter beitrug, denn die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab.
    Mit großem Prunk feierten die Kanoniker sämtlicher Kirchen der Stadt das Hochamt, und danach überreichten sie den Pilgern die einzelnen Gegenstände, wobei sie jedes Ding oder Kleidungsstück zuvor weihten.
    Der Segensspruch für die Pilgertasche lautete:
    Im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Nimm diese Tasche als Zeichen deiner Pilgerschaft, damit du geläutert und befreit zum Grab des heiligen Jakobus gelangen mögest, zu dem du aufbrechen willst, und kehre nach Vollendung deines Wegs unversehrt mit Freude zu uns zurück. Dies gewähre Gott, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
    Den Pilgerstab händigte man uns mit folgenden Worten aus:
    Nimm diesen Stab zur Unterstützung deiner Reise und deiner Mühen für deinen Pilgerweg, damit du alle Feindesscharen besiegen kannst, sicher zum Grab des heiligen Jakobus gelangst und nach Vollendung deiner Fahrt zu uns mit Freude zurückkehrst. Dies gewähre Gott, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
    Hinzu kamen die Kalebasse für das Wasser, der Pilgerhut mit der umgeschlagenen Krempe gegen die Sonne und ein Umhang zum Schutz vor Kälte und schlechtem Wetter. Die meisten von uns trugen außerdem noch eine Zinnbüchse über der Schulter, in der wir die für die Reise nötigen Dokumente und Geleitschreiben aufbewahrten (Jonas' und meine waren natürlich falsch). Danach gab es auf dem Kirchplatz Speis und Trank für alle, während fahrende Spielleute kühne Verse vortrugen und Gaukler und Zauberer ihre Kunststücke zeigten. Jonas stopfte sich mit gezuckerten Mandeln voll, und ich mußte ihm einen randvollen Becher aromatisierten Weins aus der Hand reißen, den er bereits an die Lippen gesetzt hatte.
    In einer großen Gruppe verließen wir Arles, um uns, nun schon deutlich verteilter, auf den Weg nach St-Gilles zu machen, das etwa zehn Meilen weiter westlich zwischen Nîmes und der Rhône lag, wo der heilige Aegidius begraben war, der in ganz Frankreich verehrt wurde, da er die Bitten der Gläubigen noch vor allen anderen Heiligen erhörte. Der Ort war eine unumgängliche Wallfahrtsstätte auf der Via Tolosana, da der Grabbesuch des Nothelfers und der Kuß seines ehrwürdigen Altars als glückverheißend und wundertätig galten.
    Bei Einbruch der Nacht kamen wir in St-Gilles an, und nachdem wir unsere geringfügige Habe in der Herberge gelassen hatten, machten wir uns auf, dem Heiligen unseren Gruß zu entbieten. An die draußen schon herrschende Dunkelheit gewöhnt, mußten wir beim Betreten der Kirche die Arme erst einmal schützend vors Gesicht heben, was jedoch nur wenig nützte, denn das Gotteshaus funkelte wie Gold, erhellt von Tausenden von Kerzen, Leuchtern und Lämpchen. Ihr Licht blendete so stark, daß Jonas' Augen, dessen Bewunderung keine Grenzen kannte, eine ganze Weile tränten und er fortwährend blinzeln mußte, bis er sich daran

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