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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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gewöhnt hatte. Das Grabmal des heiligen Mannes war wirklich beachtlich und einen Besuch wert. Seine Gebeine lagen in einem goldenen Schrein, dessen Dach oben und allseitig Fischschuppen zierten und auf dessen First dreizehn Felskristalle befestigt waren. In der Mitte des Schreinvorderteils, umgeben von einem goldenen Kreis, den nochmals zwei Reihen Edelsteine umrahmten, thronte eine Christusfigur und erteilte mit der rechten Hand den Segen, während sie in der anderen ein aufgeschlagenes Buch hielt, auf dem geschrieben stand: »Liebet den Frieden und die Wahrheit.« Was allerdings am meisten meine Aufmerksamkeit erregte, war der zweite Rang des Schreins, auf dem die zwölf Sternzeichen abgebildet waren: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische. Ich fragte mich gerade neugierig, was jene Zeichen dort sollten, als ich plötzlich zusammenzuckte und meine Hand zum Gürtel griff, ohne daran zu denken, daß ich ja nicht bewaffnet war:
    »Beatus vir qui timet dominum . Wohl dem, der den Herrn fürchtet«, erklang hinter mir eine dröhnende und tiefe Stimme.
    »Caeli enarrant gloriam Dei . Die Himmel erzählen die Ehre Gottes«, antwortete ich und wandte mich schnell um, um endlich des päpstlichen Abgesandten ansichtig zu werden, den ich seit unserer Abreise aus Avignon erwartete.
    Halbverborgen im Dunkel und eingehüllt in einen langen, dunklen Mantel betrachtete uns unbeweglich ein Mann beunruhigenden Aussehens. Einige Sekunden lang starrten wir uns feindselig an, bis er einen Schritt nach vorn tat und sich in der größeren Helligkeit sehen ließ. Ich machte Jonas ein Zeichen, daß er dort bleiben sollte, wo er gerade stand, und ging dann bedächtig auf ihn zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er trug die Haare kurz und den Bart lang, beides von einem intensiven Blond, das stark mit seiner dunklen Kleidung kontrastierte. Er war von großer Statur und Körperfülle und hatte hellblaue Augen, hervorstehende Wangenknochen und eine breite, massige Stirn. Unverkennbar mußte es sich um eine bedeutsame Persönlichkeit der Wachmannschaften des Heiligen Vaters handeln.
    »Sire Galcerán de Born«, begrüßte er mich, als ich vor ihm stand, »ich bin Graf Joffroi de Le Mans, Euer Schatten.«
    Dies mußte ich unbedingt berichtigen.
    »Graf Joffroi de Le Mans, ich bin Bruder Galcerán, Ritter vom Hospital des Heiligen Johannes, Medikus und Eure Bürde.«
    Meine Antwort schien ihn zu überraschen, weil er es sicherlich gewohnt war, eher Angst und Bestürzung als Gleichgültigkeit hervorzurufen.
    »So lauten mein Befehle«, fuhr er fort, als ob er mich nicht gehört hätte oder alles belanglos wäre, was nicht mit diesen Anordnungen in Zusammenhang stand, »ich werde Euch Tag und Nacht folgen, bis Ihr den Schatz der Templer gefunden habt, Euch mit meinen Waffen und denen meiner fünf Gefolgsmänner unterstützen, falls Ihr Beistand benötigt, und Euch und Euren Novizen töten, falls Ihr die Heilige Mutter Kirche zu betrügen versucht.«
    Ich spürte, wie die Entrüstung in mir wuchs. Mein Sohn und ich suchten einen Schatz, der uns nicht im geringsten interessierte; wir hatten eine anspruchsvolle Mission übernommen, die im Fall eines Erfolgs nur dazu diente, diejenigen zu bereichern, die sowieso schon reich waren; wir nahmen die Strapazen einer Pilgerfahrt auf uns, die wir eigentlich nicht machen wollten, und obendrein glaubte dieser Herumtreiber noch, uns mit dem Tode drohen zu müssen!
    »Eure Befehle interessieren mich nicht, Graf«, entgegnete ich gereizt. »Für mich existiert Ihr einfach nicht, denn Ihr seid nur mein Schatten. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen, und ich werde ihn erfüllen.«
    »Aus Gründen der Staatsräson wünscht Seine Heiligkeit Johannes XXII. daß Ihr Eure Aufgabe schnellstmöglich erledigt.«
    »Das dachte ich mir schon, es überrascht mich keineswegs«, erwiderte ich. »Aber Ihr solltet wissen, Graf Joffroi, daß ich bisher noch keine Wunder zu vollbringen vermag und daß Seine Heiligkeit sich mit dem bescheiden muß, was die Schnelligkeit meiner Füße und die Schärfe meines Augenlichts hergeben. Von Euch will ich nur eins wissen, bevor ich Euch ersuche, mir aus den Augen zu gehen: Wie kann ich Euch um Hilfe bitten, falls dies vonnöten sein wird? Ihr seht ja, daß ich keine Waffen trage.«
    »Wir werden im Bilde sein«, antwortete er, drehte sich um und ging davon. »Ich werde Euch auf Schritt und Tritt im Auge

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