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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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sie behaupteten: dem Gebet und der Meditation.«
    »Wenn man das alles aber wußte, warum hat ihnen dann niemand die Bundeslade weggenommen? Warum hat die Kirche sie nicht eingefordert?«
    »Weil die Templer es immer abgestritten haben. Und wenn jemand dies mit der nötigen Ausdruckskraft und Standhaftigkeit tut, so ist es ausgeschlossen, ihn der Lüge zu bezichtigen, wenn man es nicht beweisen kann, und Beweise fand man nie. Verdächtigungen gab es sehr wohl, alle möglichen, Beweise dagegen keinen einzigen.«
    Mir kam jetzt plötzlich jene schon so fern scheinende Nacht in den Sinn, in der Evrard während seines Todeskampfes im Kerker der ehemaligen Templerfestung im Marais schreiend den Befehl gab, Al-Aqsa zu räumen und die Bundeslade zu retten.
    »Und Ihr glaubt, Sire, daß wir in der Kapelle der Tempelherren dort«, fragte Jonas und wies mit dem Kinn auf Eunate, »irgend etwas diesbezüglich finden werden?«
    »Was das alles betrifft, sicher nicht, Jonas«, antwortete ich und richtete mich mit Hilfe meines Pilgerstabs auf. »Unter den unzähligen Geheimnissen der Templer ist das der Bundeslade das unantastbarste. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß wir hier durchaus auf die ersten Spuren zu den Verstecken des Templerschatzes stoßen werden, den sie vor der Auflösung ihres Ordens am Jakobsweg verbargen.«
    »Und die Bundeslade?« bohrte er halsstarrig nach.
    »Der Lauf der Jahrhunderte wird sich ihrer schon annehmen.«
    »Aber dann werden wir sie doch nicht mehr sehen!« murrte er, während wir nun auf die Kirche zugingen.
    »Wir sind eben nicht unsterblich: Die Zukunft werden wir versäumen.«
    Durch einen der beiden Eingänge betraten wir den äußeren Arkadengang, und als wir den Chor umrundeten, der ebenso achteckig war wie die Kirche, entdeckte ich die untrüglichen Kennzeichen der Initiation: Auf einem der Kapitelle sah man die Figur eines Gekreuzigten, jedoch ohne Kreuz, umgeben von den zwölf Aposteln; auf einem anderen sich gegenüberstehende Sonnenlöwen; des weiteren Teufelsfratzen, aus deren Mündern Schlingpflanzen quollen, die Labyrinthe oder Spiralen formten und an deren Ende oder in deren Mitte sich immer ein Pinienzapfen fand, Symbol der Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit. Nichts von alldem brachte mir neue Erkenntnisse. Wenn ich nur ein einfacher Pilger gewesen wäre, so hätte ich möglicherweise Gefallen daran gefunden, diese Bildnisse zu betrachten, über sie nachzudenken, und sie zu entziffern versucht, um dann die Schlußfolgerungen daraus auf mein Leben anzuwenden; jedoch war mein Leben und das meines Sohnes in Gefahr, und ich hatte keine Zeit zu verlieren.
    »Seht doch, Sire!« Jonas war vor einer der Doppelsäulen stehengeblieben und betrachtete aufmerksam das Kapitell. »Dies hier ist die einzige normale Abbildung, die ich in diesem ganzen seltsamen Wandelgang entdecke.«
    Ich trat näher und betrachtete das Kapitell genauer. Auf der einen Seite konnte man die Szene sehen, in welcher der am Wegesrand sitzende blinde Bartholomäus nach Jesus, dem Sohn Davids, schrie und ihn um das Wunder anflehte, ihm das Augenlicht zurückzugeben. Und auf der anderen Lazarus' Auferstehung in dem Augenblick, als der Grabstein zur Seite geschoben wurde und Jesus seinen Freund zur Überraschung aller Anwesenden anwies, herauszukommen. Sowohl Bartholomäus als auch Jesus standen auf winzigen steinernen Konsolen, die knappe Inschriften trugen: » Fili David miserere mei «, lautete die des Blinden, und Jesus' » Ego sum lux «. Nun, sagte ich mir, das war wenigstens etwas.
    Nachdem wir den Arkadengang umrundet hatten, betraten wir durch die nördliche Pforte den Zentralbau. Ein langer Fries zum Säulengang hin führte jedem Vorbeigehenden die ganze Bandbreite der geheimen Initiation vor Augen. Das überraschte mich keineswegs: Es konnte sehr schwierig sein, die unerschütterlichen Geheimnisse ohne die Hilfe eines Meisters auszulegen, einige hatten es hingegen geschafft und waren danach im Studium der Erkenntnis sehr weit gekommen. Glücklicherweise benutzte die Erzählung des Frieses die kryptische Symbologie – weise Worte werden immer Auslegungen benötigen –, so daß einige von uns, die Eingeweihten, lesen konnten, was dort geschrieben stand, und andere ebenfalls dazu imstande waren, wenn sie ihr Geist dazu anregte. Ich folgerte daraus, daß der Jakobsweg, der Weg der Milchstraße, angelegt worden war, um denjenigen zu helfen, die fähig waren, aus eigener Kraft den Zustand der Gnade zu

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