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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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wie ein Esel.
    Im Hospiz aßen wir uns an gebratenem Zicklein, Kichererbsen und süßem Kürbis satt und hielten danach eine lange Siesta auf bequemen Strohsäcken. Am späten Nachmittag waren wir endlich soweit, die Stadt zu besichtigen.
    »Es wird gleich regnen, glaube ich«, meinte der Junge, als wir auf die Straße hinaustraten und den wolkenverhangenen Himmel entdeckten.
    »Vielleicht. Eben deshalb sollten wir schneller gehen.«
    »Ich wollte etwas mit Euch besprechen, Sire.«
    »Was denn?« fragte ich zerstreut, während wir wieder die außergewöhnliche Brücke hinaufgingen.
    »Erinnert Ihr Euch an den Grafen, der Euch in St-Gilles bedrohte?«
    Abrupt blieb ich auf dem Scheitelpunkt der Brücke stehen. Zu unseren Füßen schien die Stadt unter dem trüben Licht zu versinken.
    »Ja. Was ist mit ihm?«
    »Seit Obanos folgt er uns.«
    »Er folgt uns seit unserer Abreise aus Avignon«, knurrte ich und ging weiter.
    »Sicher, Sire, aber jetzt tut er es wesentlich dreister. Mir scheint, er will wieder mit Euch reden.«
    »Wenn er mich sprechen will, weiß er ja, was er tun muß!«
    Plötzlich war meine Laune so getrübt wie der Abend. Ich hatte keine Lust mehr, die Stadt zu besichtigen. Die traurige Wahrheit war, daß ich bisher nicht die geringste Spur gefunden hatte, die mich zum Gold der Templer führen könnte – vielleicht mit Ausnahme des Kapitells in Eunate, das außer einem Irrtum des Steinmetzmeisters möglicherweise nichts weiter offenbarte –, und Joffroi de Le Mans wußte das, er wußte, daß ich mit leeren Händen dastand. Deshalb versuchte er mich einzuschüchtern. Seine Zudringlichkeit war nichts weiter als eine Drohgebärde. Indessen brauchte ich seine Wichtigtuerei nicht, um mir meines Scheiterns vollkommen bewußt zu sein. Ein entsetzlicher Donnerschlag hallte am Himmel wider und blieb zitternd in der Luft hängen, als ob man das Universum zweigeteilt hätte und die beiden Teile nun einstürzen würden.
    »Es sieht nach Regen aus, Sire.«
    »Ist gut. Laß uns dort in der Schenke einkehren«, murrte ich.
    Über der Tür zeigte eine grobe, bunte Holzschnitzerei, die von einem Schürhaken herunterhing, eine kleine, sich ringelnde Schlange. Coluver , die Schlange, war darunter in gotischen Lettern zu lesen.
    »Der Wirt muß Franzose sein«, meinte ich, während ich die Tür aufstieß.
    »Der Wirt und all seine Gäste«, fügte Jonas überrascht hinzu, als wir drinnen standen.
    Der Schankraum war mit einer nicht zu überblickenden Menge Dorfbewohner und französischer Pilger restlos überfüllt, die allesamt einen schrecklichen Lärm veranstalteten. Instinktiv hielt ich mir die Nase zu, um nicht den unangenehmen Geruch so vieler menschlicher Ausdünstungen einatmen zu müssen.
    »Nicht ein einziger verdammter Tisch ist mehr frei!« brüllte ich dem Jungen ins Ohr.
    »Was habt Ihr gesagt?« schrie er zurück.
    »Daß kein einziger verdammter Tisch mehr frei ist!«
    »Seht doch!« rief Jonas, ohne auf mich zu hören, und zeigte auf eine dunkle Ecke im hinteren Teil des Raumes. Dort, unter einer Reihe zum Dörren aufgehängter Würste, winkte uns ein abgezehrter Arm zu. Im ersten Moment erkannte ich den Mann nicht, aber dann wurden mir allmählich seine Züge wieder vertraut, und ich brachte schließlich Name und Gesicht zusammen. Daß mir sein Name wieder einfiel, ist natürlich nur so dahingesagt, denn dort hinten saß Niemand, der Alte aus dem Hospital de Santa Cristina, und begrüßte uns freudig. An dem langen, dicht besetzten Holztisch bot er uns einen Platz an seiner Seite an.
    Mit großer Mühe zwängten wir uns zu ihm durch, begleitet vom Knurren einer Menge betrunkener Franzosen.
    »Don Galcerán!« rief der Alte aus, als wir endlich bei ihm angelangt waren. »García, mein lieber Junge! Welch große Freude, Euch hier zu treffen!«
    »Wie konntet Ihr Puente la Reina denn vor uns erreichen, Großvater?« fragte ihn Jonas mit großen, staunenden Augen, während wir uns neben ihn setzten.
    »Ich habe einen Teil des Wegs auf einem Karren zurückgelegt, in Gesellschaft von einigen Bretonen, die es eilig hatten, nach Santiago zu kommen. In Puente la Reina machte ich dann halt, um etwas auszuruhen; in meinem Alter sollte man es nicht mehr übertreiben.«
    »Also, wir haben Euch nicht gesehen.«
    »Ich Euch auch nicht, und das, obwohl ich Ausschau hielt. Die Bretonen, von denen ich Euch erzählt habe, reisten auch gern nachts. Sicherlich wart Ihr irgendwo in einer Kirche, als wir vorbeifuhren, oder

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