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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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niemals von den Hindernissen und Problemen abbringen läßt, die sich ihm während seiner Nachforschungen in den Weg stellen. Vielmehr akzeptiert er die Existenz besagter Schwierigkeiten als einen weiteren Aspekt der Erkenntnis, woraufhin er die angemessene Haltung einnehmen kann, um das wahrzunehmen, was er ändern muß.
    Pferdehufe rissen mich aus meiner Verwirrung. Und wenn ich sage Pferdehufe, so meine ich auch Pferdehufe und nicht deren Geklapper, das auf irgendeine Art und Weise in mein Bewußtsein gedrungen wäre: So wie ich dort vor dem Portal der Santiago-Kirche saß, mit dem Kopf zwischen den Schultern und gesenktem Blick, sah ich die Beine einiger Tiere auf mich zustürmen, die direkt vor mir stehenblieben, und bevor ich überhaupt Zeit fand, blaß zu werden, warf Jonas' beleidigte Stimme von der Höhe seines Zelters herab mir mein Fernbleiben vor:
    »Hatten wir uns etwa nicht für eine Stunde, nachdem wir uns getrennt hatten, im Pilgerhospiz verabredet, Vater? Da können wir ja lange auf Euch warten … Vater!«
    »Wie lange sitze ich schon hier?« wollte ich wissen, während ich mich schwerfällig aufrichtete, indem ich mich mit den Händen an den Säulen des Portals abstützte.
    »Wie lange Ihr hier schon sitzt, wissen wir nicht«, erklärte mir Niemand und beugte sich leicht herunter, um mir die Zügel meines Rosses in die Hand zu drücken. »Doch seid Ihr mehr als zwei Stunden weg gewesen, Don Galcerán.«
    »Mehr als zwei Stunden … Vater!« rügte mich der Junge in einem unverschämten Ton.
    Ich überlegte es mir nicht zweimal. Ich streckte den rechten Arm aus, packte Jonas am Kragen seines Wams' und zog ihn mitleidlos herunter. Da seine Füße noch in den Steigbügeln steckten, taumelte er und stürzte dann reichlich unglücklich auf das Pflaster, ohne daß ich ihn deshalb aus meinen Fängen gelassen hätte. In seinen Pupillen spiegelten sich jetzt Angst und Schrecken, und in den meinigen lag ein Groll, den ich nicht im entferntesten verspürte.
    »Hör mir gut zu, García Galceráñez: Das war das letzte Mal in deinem Leben, daß es dir an Respekt vor deinem Vater mangelt«, betonte ich langsam und deutlich, »das allerletzte Mal, hast du mich verstanden? Für wen hältst du dich eigentlich, du miserabler, unverschämter Wicht? Sei der Heiligen Jungfrau dankbar, daß du jetzt keine Abreibung bekommst, und schwinge dich auf dein Pferd, bevor ich es mir doch noch anders überlege.«
    Ich half ihm wieder hoch, sein Wams immer noch zwischen meinen Fäusten, und ließ ihn wie eine Puppe in den Sattel fallen. Ich sah die Wut und die Ohnmacht in seinem blaß gewordenen, bebenden Gesicht, und sogar ein Blitz des Hasses durchkreuzte seinen Blick, doch war Jonas kein schlechter Mensch, und sein Ärger löste sich in bitteren Tränen auf, als ich aufstieg und wir Puente la Reina in langsamem Trab verließen. Er war nicht mehr der kleine Junge, den ich bei meiner Ankunft in Ponç de Riba vorgefunden hatte, jener kleine García, der mir durch die Fenster der Klosterbibliothek hinterherspionierte und mit den hochgerafften Rockschößen eines puer oblatus aus dem Spital rannte. Nun hatte er den Körperbau, die Stimme und das aufbrausende Wesen eines Mannes, und gerade deswegen, selbst wenn sein Verstand des öfteren noch dem eines Kindes glich, mußte er beginnen, sich wie ein richtiger Mann und nicht wie ein gemeiner Bauernbursche zu benehmen.
    Nachdem wir Puente la Reina hinter uns gelassen hatten, trieben wir die Tiere zum Galopp an. Mein Roß war ein hervorragender Vierbeiner mit einem guten Stockmaß und so schnell wie der Wind; furchtlos wäre ich mit ihm in jede Schlacht gezogen. Aber das Tier, welches Niemand für sich gekauft hatte, war mit Abstand das beste von allen dreien, stattlich und arrogant, von ungestümem Geblüt.
    Im Nu durchritten wir Mañeru und Cirauqui, und entlang einer alten Römerstraße erreichten wir schnell den Weiler Urbe. Die Sonne ging im Westen zu unserer Rechten unter, als wir über die kleine Doppelbogenbrücke des Río Salado ritten, dessen Wasser berüchtigt waren: »Hüte dich, weder deine Lippen zu benetzen, noch dein Pferd dort zu tränken, denn der Fluß ist todbringend!« warnte Aimeric Picaud im ›Codex Calixtinus‹. Nicht, daß wir ihm Glauben schenkten, vorsichtshalber folgten wir jedoch strikt seinem Ratschlag.
    Nachdem wir den Fluß hinter uns gelassen hatten, ritten wir einen Hügel hinauf nach Lorca hinein. Von dort aus gelangten wir über eine prächtige

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