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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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wieder weicher. »Gerade weil ich den Weg des heiligen Apostels sehr gut kenne, weiß ich, daß es an Orten der Marienverehrung nicht fehlen wird.«
    »Das wissen wir, aber wir werden im Gegensatz zu Euch vielleicht nie wieder in diese Gefilde zurückkehren.«
    Niemand schien nachzudenken.
    »Dann erlaubt wenigstens, daß der Junge mitkommt«, sagte er schließlich. »Seine Meinung wird mir beim Aussuchen unserer Pferde sehr nützlich sein.«
    »Ja, bitte, gestattet, daß ich ihn begleite«, bat dieser Dummkopf von meinem Sohn flehend.
    »Also gut«, gab ich, wenn auch schlechtgelaunt, nach. »Geh mit ihm die Pferde kaufen. In einer Stunde treffen wir uns im Hospiz.«
    Warum, fragte ich mich, während ich allein durch die Calle Mayor schritt, warum dies alles, warum hatte ich nur dieser Reise zu Pferd zugestimmt? Warum hatte ich erlaubt, daß der Alte sich in unser Leben einmischte? Warum vernachlässigte ich gerade meine erste und wichtigste Pflicht, diese Mission, an der dem Papsttum und dem Orden der Hospitaliter so viel lag? Weshalb stellte ich die allmähliche Initiation meines Sohnes zurück, da dies in Gesellschaft von Niemand unmöglich war? Warum forderte ich auf diese Weise den Grafen de Le Mans heraus? Warum? Warum nur? …
    Die Pfarrkirche – und hier war ihr Templerursprung nicht zu leugnen – verfügte seltsamerweise über zwei identische Kirchenschiffe (statt eines Hauptschiffes oder derer drei, wie dies sonst üblich war), obwohl eines davon nur als Seitenkapelle diente und weder über Altar noch Heiligenbild verfügte. Im ersten blickte eine thronende Gottesmutter mit dem Kind auf ihren Knien ausdruckslos in den Raum, als ob nichts, was sich dort vor ihr abspielte, sie irgendwie beeindrucken könnte. Es war das Bildnis der Heiligen Maria von Orzs, eine sorgfältig gearbeitete Skulptur ohne jegliche rätselhafte Bedeutung. Hatten die Tempelherren Puente la Reina etwa übergangen? Das konnte ich mir nicht vorstellen, weshalb ich mich mit einer gewissen inneren Unruhe zum zweiten Kirchenschiff wandte.
    Die Apsis war merkwürdigerweise hinter einem schweren, schwarzen Tuch verborgen, was natürlich sofort meine Neugier weckte. Was war dort wohl zu entdecken? Das Schiff einer Kirche steht nicht umsonst leer, es mußte irgendeinen gewichtigen Grund geben für einen solch verblüffenden Anblick, und da man nirgends Bauarbeiten noch Gerüste sah, die eine solche Abdeckung rechtfertigten, mußte es auf etwas anderes zurückzuführen sein. Ich zweifelte keinen Augenblick daran und hob – selbst auf die Gefahr hin, von irgendeinem der Pilger, die dort gerade Andacht hielten, gerügt zu werden – eine der Ecken des Tuches hoch.
    »Was tut Ihr da?« kreischte eine hohe Stimme durch die Stille des Gotteshauses.
    »Ich schaue. Darf man das nicht?« antwortete ich, ohne den Stoff loszulassen.
    »Nein, das soll man nicht.«
    »Das ist kein Verbot«, sagte ich, während ich hastig einen Blick über das gleiten ließ, was dahinter zu erblicken war.
    »Laßt sofort das Leintuch los, oder ich sehe mich gezwungen, die Wache zu rufen!«
    Ich konnte nicht fassen, was ich da vor mir sah … ich konnte es einfach nicht glauben. Ich mußte in meinem Gedächtnis jede Einzelheit festhalten. Und ich brauchte mehr Zeit, um alles genau zu betrachten.
    »Und wer seid Ihr, daß Ihr in dieser Kirche so herumschreien dürft?« fragte ich scheinbar einfältig in der Absicht, meinen Gesprächspartner aufzuhalten. Durch das Kirchenschiff kamen seine Schritte eilig näher.
    »Ich bin ein Laienbruder dieser Pfarrei«, rief die Stimme kaum eine Sekunde später schon an meinem Ohr, während gleichzeitig eine alte, zittrige Hand den Stoff wieder gegen die Kirchenmauer drückte und so meiner Besichtigung ein jähes Ende bereitete, »und mit der Aufsicht über diese Kirche betraut. Und wer seid Ihr?«
    »Ein Jakobspilger, nur ein Pilger«, antwortete ich und täuschte Trübsal vor. »Ich hatte meiner Neugier nicht widerstehen können. Sagt, von wem sind diese wunderbaren Gemälde?«
    »Von Johann Oliver, einem deutschen Meister«, erklärte mir der lächerliche Wächter. »Doch wie Ihr seht, sind sie noch nicht fertig. Deshalb kann man sie auch nicht betrachten.«
    »Aber sie sind wirklich ausgezeichnet!«
    »Sicher, doch wahrscheinlich werden sie durch ein echtes Kreuz ersetzt, durch eines, was so ähnlich aussieht wie das, welches dort an die Wand gemalt ist.«
    »Warum denn das?« fragte ich neugierig.
    »Was weiß ich!«
    »Ihr

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