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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matilde Asensi
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Handvoll Sennesblätter aus Alexandria in den Kessel und eine gehäufte Dolchspitze pulverisierte Rinde des gefürchteten Rhamnus fragula , auch bekannt unter dem Namen Gemeiner Faulbaum, dessen bitterer Geschmack durch das süße Fruchtfleisch der Rosinen überdeckt würde. Ich ließ den Roggen einige Zeit quellen, zog dann den Sud vom Feuer, ließ ihn sich einige Minuten lang setzen, schüttete danach das Gebräu in ein Tuch und seihte in meine Kalebasse eine gallenfarbige Flüssigkeit ab.
    »Man sieht sehr wohl, daß Niemand morgen nicht in der Lage sein wird weiterzureisen«, flüsterte die Zauberin mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen.
    »Ihr habt meine Idee begriffen.«
    »Zu gut, fürchte ich!«
    Ich kehrte in die Herberge zurück und schlich in den Schlafsaal, den eine Talglampe vor dem Bild Unserer Lieben Frau erleuchtete. Geschmeidig wie eine Katze und mit geschärften Sinnen, um jeglichem kritischen Augenblick vorzubeugen, ergriff ich Niemands Kalebasse und schüttete einen Teil des Gebräus in das Wasser. Wenn alles so lief, wie ich es mir vorstellte, würde Niemand beim Aufwachen wie gewöhnlich einen großen Schluck nehmen, und selbst wenn er dabei den seltsamen Geschmack feststellte, wäre es für seine Gedärme bereits zu spät. Mit ein wenig Glück war es sogar möglich, daß er es schlaftrunken nicht einmal bemerken würde.
    Und in der Tat trank der Alte mit den ersten Lichtstrahlen des Tages einen großen Schluck aus seiner Flasche, und kurz darauf begann das Abführmittel Wirkung zu zeigen: Sein Stöhnen war im ganzen Hospiz zu hören, als er im Hemd zu den Ställen lief, ja fast flog, und seinen Bauch mit den Händen hielt. Jonas schaute ihm vergnügt von seinem Lager aus hinterher, zutiefst erstaunt darüber, wie der Alte seine Schritte beschleunigte, um seinem Gedärm Erleichterung zu verschaffen.
    »Ist er krank?« fragte er und blickte Niemand auf seinem neuerlichen Lauf nach.
    »Das glaube ich nicht. Es werden wohl nur einfache Magenbeschwerden vom gestrigen Abendessen sein.«
    »Nun ist er schon viermal zu den Ställen gerannt. Keiner wird sich dort mehr hineintrauen, um die Tiere zu holen. Könnt Ihr ihm denn nichts zur Linderung verabreichen?«
    »Ich fürchte«, entgegnete ich und verkniff mir dabei ein Lächeln, »daß es nichts gibt, was dem Abhilfe schafft.«
    Während wir unsere Brotsuppe löffelten, rührte mich jedoch der schmerzvolle Blick des Kranken, und ich empfahl ihm, dreimal am Tag in Wasser aufgelöste Tonerde zu sich zu nehmen, um die Magenschwäche zu beheben. Wenn es nicht besser würde, sagte ich ihm, solle er am besten das außerhalb der Stadt gelegene Hospital de Santiago aufsuchen.
    »Aber natürlich fühle ich mich nicht bei Kräften, die Reise fortzusetzen«, stammelte Niemand.
    »Wir können nicht auf Euch warten, mein Freund. Vergeßt nicht, daß Sara Burgos so bald wie möglich erreichen wollte. Sie erwartet uns gleich in ihrem Viertel.«
    Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Anflug von Mißgunst ab.
    »Die Pferde gehören mir und bleiben hier. Entscheidet also, was Ihr tun wollt.«
    »Nun, wir danken Euch für Eure Hilfe, unsere Freundin einzuholen«, meinte ich, »doch wie Ihr verstehen werdet, sollten wir jetzt, wo wir sie gefunden haben, unsere Reise auch mit ihr und nicht mit Euch fortsetzen.«
    Im Blick des Alten stand stumme Ungläubigkeit geschrieben.
    »Aber Eure Freundin reist zu Pferde.«
    »Nein, jetzt nicht mehr.«
    »In ein, zwei Tagen werde ich Euch aber einholen.« Es klang fast wie eine Drohung.
    »Wir würden uns freuen, Euch als Reisegefährten wiederzusehen«, log ich.
    Wir holten Sara an den Toren des jüdischen Viertels ab und gingen denselben Weg wieder zurück, um Nájera am Kloster Santa María la Real vorbei in Richtung Azofra zu verlassen. Vergnügt und ausgelassen durchwanderten wir die mit rötlichen Felsen durchsetzte Gegend, wo unzählige Weinberge den Weg säumten. Nachdem die von Niemand geschaffene Distanz zwischen Jonas und mir wie durch Zauberhand aufgehoben war, schien er nun wieder der gleiche kluge und aufgeweckte Junge zu sein, den ich im Laufe unserer Reise nach Paris kennengelernt hatte. Der Himmel war noch immer bedeckt und das Licht traurig und bleiern, indessen führten wir eine so angeregte Unterhaltung, daß wir nicht einmal merkten, wie unangenehm es war, wieder mit den Füßen im Morast zu versinken, der die Wege bedeckte.
    In Azofra wandten wir uns Richtung San Millan de la Cogolla, um dort gegen

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