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Titel: iBoy
Autoren: Kevin Brooks
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Vorhängen   … nein, ich weiß nicht mal, ob ich das will.« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein gebrochenes Flüstern. »Die haben mich zerstört, Tom. Verdammt noch mal, die haben mich echt zerstört.«
    »Na ja   …«
    »Geh jetzt besser   … tut mir leid, ich   …«
    »Schon gut«, sagte ich leise und stand auf.
    »Vielleicht ein andermal   …«
    »Ja, ja, natürlich   …« Ich sah sie an. »Ich könnte morgen vorbeikommen, wenn du magst   … oder auch nicht. Ich meine, ganz wie du willst   …«
    »Ja«, murmelte sie. »Morgen. Das wär schön   … ich muss jetzt nur ein bisschen für mich sein.«
    Ich nickte ihr zu, dann wandte ich mich um und ging zur Tür.
    »Danke, Tom«, hörte ich sie flüstern.
    Ich drehte mich noch mal zu ihr zurück.
    Sie sah mich traurig an. »Ich meine, danke für   … keine Ahnung. Dass du zugehört hast und so. Das war   … das war   … du weißt schon. Danke.«
    »Kein Problem«, sagte ich. »Bis dann, Luce.«
    »Ja   …«

|63| 111
    Es gibt Männer, die so gottgleich, so außergewöhnlich sind, dass sie ganz natürlich, aufgrund ihrer herausragenden Gaben, über jedem moralischen Urteil und jeder rechtsstaatlichen Kontrolle stehen. Es gibt kein Gesetz, das Männer von diesem Zuschnitt erfassen kann. Sie sind selber Gesetz.
     
    Nach Aristoteles
     
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, saß Ben immer noch zusammengesackt auf dem Sofa und schaute fern; seine Mutter hörte ich in der Küche abwaschen. Ich ging zu Ben und setzte mich neben ihn.
    »Alles okay?«, knurrte er, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden.
    »Nicht wirklich«, antwortete ich.
    Er zuckte die Schultern und starrte weiter den Bildschirm an. Eine Weile saß ich schweigend da und versuchte, die Online-Fragmente des Fernsehprogramms in meinem Kopf zu ignorieren, die mir, wenn ich es unbedingt wissen wollte, garantiert verraten würden, was er da gerade guckte. Aber ich wollte nicht.
    »Pass auf«, erklärte ich Ben ruhig. »Wenn
du
mir erzählst, |64| was du getan hast, dass die Crows dermaßen angepisst waren, erzähl
ich
keinem von dem iPhone.«
    »Was?«
, keifte er zurück und riss sich vom Fernseher los.
    »Du hast schon verstanden.«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Doch, weißt du«, entgegnete ich. »Ich will nur eine Antwort, wieso die Crows dir die Scheiße aus dem Leib geprügelt haben.« Ich starrte ihn an. »Du sagst es mir und ich halt die Klappe, dass du das iPhone geklaut hast.«
    Genau in dem Moment rief seine Mum aus der Küche. »Alles okay bei dir, Ben?«
    »Ja, Mum«, rief er zurück. »Ich red nur mit Tom. Alles in Ordnung.« Er wandte sich wieder mir zu und senkte die Stimme. »Woher weißt du das mit dem iPhone?«
    Weil noch Teile davon in meinem Gehirn stecken, deshalb
, hätte ich ihm am liebsten geantwortet
. Weil diese iPhone-Teile irgendwie – auf eine unwirkliche, unvorstellbare und unglaubliche Weise – mit meinem Hirn kommunizieren. Sie verschaffen mir Zugang zu allem, wozu ein iPhone Zugang hat, sogar zu noch mehr, und das ist verdammt viel. Und in diesem ganzen Wust gibt es auch eine Reihe von Codes oder Verschlüsselungen – irgendwelche Sicherungsdaten   –, die mir als Rohmaterial zwar absolut nichts sagen, aber irgendwie wird alles so gefiltert oder übersetzt, dass es für mich einen Sinn ergibt. Deshalb weiß ich, dass das iPhone nie verkauft, nie registriert und kaum benutzt wurde. Ich habe auch Zugang zu dem Polizeibericht und der Aussage, in der der Geschäftsführer vom Carphone Warehouse auf der High Street Angaben zu dem Diebstahl eines iPhones am 2.   März gemacht hat. Die Beschreibung des Diebs passt genau auf dich, Ben. Deshalb weiß ich, dass du das iPhone geklaut hast, alles klar?
    |65| Aber natürlich erzählte ich ihm nichts davon. Stattdessen sagte ich: »Ist doch egal, woher ich das weiß. Ich weiß es einfach. Und wenn du willst, dass es auch deine Mum weiß und die Polizei   –«
    »Meine
Mum
?«, sagte er höhnisch. »
Der
kannst du von mir aus sagen, was du willst. Das ist mir scheißegal.«
    »Ja?«, antwortete ich. »Und wieso flüsterst du dann?«
    Für einen Moment starrte er mich wütend an und versuchte, hart und verächtlich zu wirken, aber ich wusste, dass das nur aufgesetzt war. Alle Gang-Kids hier in der Gegend haben Angst vor ihren Müttern. Sie würden das natürlich nie zugeben, doch egal, wie alt sie sind, egal, wie brutal oder gerissen oder abgebrüht sie sind   … tief drinnen bleiben sie trotzdem
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