Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
iBoy

iBoy

Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
was?«
    »Gewissen.« Ich schloss einen Moment die Augen, dann öffnete ich sie wieder. »Das Bewusstsein für die moralische Qualität deines eigenen Verhaltens und deiner eigenen Absichten, verbunden mit dem Gefühl von einer Verpflichtung, alles Schlechte zu unterlassen.«
    Davey sah mich mit zusammengezogenen Augen an. »Verdammte Scheiße, was –?«
    »Ich weiß, dass du da warst, Davey«, seufzte ich. »Und ich weiß, dass du das iPhone aus dem Fenster geworfen hast.«
    Die Stirnfalte zwischen seinen Augen wurde tiefer. »Wovon redest du?«
    »Ich hab das Video gesehen.«
    »Welches Video?«
    Ich stöhnte, dann griff ich in meine Hosentasche und zog das Handy heraus. Während ich die Videofunktion drückte, rief ich den Film in meinem Kopf auf und schickte ihn auf mein Handy, und bis ich den Player geöffnet hatte, war das Video schon da. Ohne etwas zu sagen, drückte ich die Play-Taste und reichte Davey den Apparat. Er nahm ihn, sah eine Weile hin und gab ihn mir dann mit bleichem Gesicht wieder zurück.
    »Erinnerst du dich jetzt?«, fragte ich, löschte das Video und steckte das Handy zurück in die Tasche.
    Er nickte kleinlaut. »Woher hast du das? Das Video, mein ich   …«
    »Ist das wichtig?«
    »Nein   … eigentlich nicht.«
    Ich sah ihn an. »Verdammt, Davey, wie
konntest
du nur? Ich meine,
heilige
Scheiße   … wie konntest du das tun?«
    »
Getan
hab ich gar nichts«, winselte er.
    »Du warst
dort
! Du hast zugeguckt, wie sie’s gemacht |101| haben   … du hast
gelacht
, verdammt noch mal. Ist das deine Vorstellung von
gar nichts getan

    »Ja, ich weiß   … ich hab ja nur gemeint   –«
    »Ich
weiß
, was du gemeint hast.« Ich holte tief Luft, stieß sie langsam wieder aus und versuchte, meine Wut unter Kontrolle zu halten. Davey zündete sich eine Zigarette an. Ich stöhnte wieder. »Du warst doch früher immer in Ordnung, Davey. Ich meine, du hast einen eigenen Willen gehabt. Verdammt, was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    »Hast du geglaubt, was sie mit Lucy gemacht haben, war lustig? Hast du echt gedacht, was für ein toller
Spaß

    »Nein.«
    »Wofür hast du’s dann gehalten? Hast du gedacht, es ist cool? Richtig was für harte Jungs? Hast du dich
toll
gefühlt dabei?«
    Daveys Augen verdunkelten sich. »Du hast doch keine
Ahnung
…«
    »Wovon?
Wovon
hab ich keine Ahnung?«
    Er schüttelte den Kopf. »So läuft das eben, okay?«
    »Nein«, antwortete ich. »
Nicht
okay.«
    »Ja, gut   …«
    Ich schaute ihn an und versuchte den alten Davey zu sehen, den Davey, der mal mein Freund gewesen war. »Wieso hast du nicht versucht, sie aufzuhalten?«, fragte ich leise. »Wieso hast du’s nicht zumindest
versucht
…?«
    »Mach dich nicht lächerlich«, antwortete er. »Die hätten mich doch fertiggemacht. So wie sie Ben fertiggemacht haben   … noch schlimmer wahrscheinlich. Wenn sie verlangen, du sollst was tun, dann tust du’s eben, verdammte Scheiße.«
    »Sie haben
verlangt
, dass du hinkommst?«
    |102| Er zuckte die Schultern. »Ich war mit ihnen zusammen. Entweder gehörst du dazu oder nicht. Du kannst dir nicht rauspicken, was dir passt.« Er zog an seiner Zigarette und sah mich an. »Das ist eine andere Welt, Tom. Wenn du erst mal dazugehörst, gibt’s nichts anderes mehr. Du musst einfach mitmachen.« Er senkte den Blick. »Tut mir leid   … ich hätte nicht mit dem iPhone nach dir werfen sollen.«
    Ich starrte ihn ungläubig an. »Du hättest
was

    »Ich hab nicht gedacht, dass es dich wirklich trifft   –«
    »Das scheiß
iPhone
ist mir egal«, schrie ich ihn an. »Verdammt   …«
    Er sah mich an und grinste. »Aber du musst zugeben – es
war
ein echt guter Wurf.«
    Ich war kurz davor, ihm eine reinzuhauen. Ja, ich hatte große Lust, ihm ins Gesicht zu schlagen und ihm seinen dämlichen Blick auszutreiben. Nicht weil er grinste, nicht einmal, weil er mich einen Moment lang so eingewickelt hatte, dass ich fast Mitleid für ihn spürte   … sondern weil ihm jedes Gefühl von Reue fehlte für das, was Lucy passiert war. Ich meine, wie konnte er auf die Idee kommen, sich bei mir zu entschuldigen, wenn ihm gleichzeitig Lucy kein bisschen leidtat?
    Es war völlig unglaublich.
    Und da wusste ich, dass es nur Zeitverschwendung war, vernünftig mit ihm zu reden oder zu versuchen, an sein Gewissen zu appellieren, denn er
hatte
kein Gewissen mehr. Ich musste ihn behandeln, als ob er ein Nichts wäre. Ich musste meine Verachtung ignorieren, meine Wut begraben und

Weitere Kostenlose Bücher