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iBoy

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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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ihn nicht niedergemacht hätte, wär er als Schwächling dagestanden. Und alle hätten es gewusst. Da hätte Yo nicht mehr die geringste Chance gehabt, so was wie sein Bruder zu werden.«
    »Und was ist mit Lucy?«, sagte ich leise. »Welche simple Logik hat ihr Leben zerstört?«
    Davey senkte den Blick. »Das ist   … das
machen
sie eben so, Tom. Keine Ahnung   … wahrscheinlich hat es auch dazu |106| gedient, Ben so richtig eine reinzuwürgen. Aber hauptsächlich   … na ja, da geht’s auch wieder um Macht. Sie tun das, einfach weil sie’s tun
können
… weil sie wissen, ihnen kann keiner was.« Er zuckte wieder die Schultern. »Sie tun es einfach.«
    »Und was ist mit dir?«, sagte ich frostig. »Wolltest du’s auch?«
    Er sah mich an. »Ich hab versucht, ihr zu helfen   … danach, ich meine, ich hab ihr geholfen, ihre Klamotten aufzuheben   …«
    »Du hast ihr geholfen, ihre Klamotten aufzuheben?«
    »Ja.«
    »Na, das war ja unglaublich einfühlsam von dir, Davey. Ich bin sicher, Lucy wusste das wirklich zu schätzen. Hat sie sich wenigstens bei dir bedankt, bevor du gegangen bist?«
    »Verpiss dich, Tom«, sagte er leise. »Du warst nicht dabei. Du hast keine Ahnung, wie es war.«
    Einen kurzen Moment sagte ich nichts mehr. Ich hatte die Nase voll, weiter mit Davey zu reden. Ich wollte diesen Mist nicht mehr hören, von wegen Macht, Respekt, Schwäche und sich nichts gefallen lassen. Es hatte mit allem überhaupt nichts zu tun.
    Ich holte Luft, versuchte zu vergessen, wie ich mich fühlte, und sagte zu Davey: »Wie heißen sie? Die Brüder   …?«
    »Was?«
    »Von O’Neil und Adebajo. Die Brüder. Wie heißen sie?«
    »Warum willst du das wissen?«
    Ich starrte ihn nur an.
    Er zögerte kurz, war instinktiv argwöhnisch und wollte mir die Namen nicht nennen, aber fast im selben Moment begriff er, dass es jetzt zu spät war, die Klappe zu halten. »Troy O’Neil und Jermaine Adebajo«, antwortete er.
    »Okay. Und wem unterstehen
sie

    |107| »Was?«
    »Die Brüder und die andern. Die großen Typen   … die Alten oder wie du sie nennst. Wer sagt
ihnen
, was sie zu tun haben?«
    Daveys Gesicht wurde plötzlich bleich. »Nein   …«, murmelte er. »Ich meine, keine Ahnung   …«
    »Sag’s mir einfach«, seufzte ich. »Einen Namen noch, dann bin ich weg.«
    »Nein, ich kann nicht   … nicht seinen.«
    »Wer?«
    »Er findet es raus. Das schafft er immer.«
    Ich zeigte ihm wieder das Handy. »Deine Entscheidung, Davey. Sag mir den Namen oder ich schick das Video.«
    Jetzt hatte er richtig Angst, er blinzelte mit den Augen, leckte sich nervös die Lippen – und ich sah, dass er sorgfältig seine Chancen abwog. Was mir klarmachte, dass dieser Typ – der, vor dem Davey sich so fürchtete –
wirklich
gefährlich sein musste.
    Aber schließlich sah Davey mich an und sagte: »Manche nennen ihn den Teufel.«
    »Aha? Wieso? Hat er Hörner oder was?«
    Davey schüttelte den Kopf. »Das ist nicht lustig   … echt, der ist ein
wirklich
übler Typ. Yoyo und die andern sind
nichts
gegen ihn. Ich meine, wenn du glaubst, das, was mit Lucy und Ben passiert ist, war übel   –«
    »Davey«, sagte ich müde. »Sag mir einfach nur seinen verdammten Namen.«
    »Ellman«, sagte er leise. »Er heißt Howard Ellman.«

|108| 1010
    Moralischer Relativismus ist die Ansicht, dass ethische Standards, Moral und Standpunkte von Recht und Unrecht kulturellen Ursprungs sind und insofern der individuellen Entscheidung eines Menschen unterliegen. Wir können alle selbst entscheiden, was richtig ist. Du entscheidest, was für dich richtig ist, und ich entscheide, was für mich richtig ist. Es gibt kein absolutes Recht oder Unrecht.
     
    Es regnete noch, als ich die alte Sporthalle verließ, deshalb waren kaum Leute in der Nähe, aber als ich an der Rückfront des Hauptgebäudes entlang in Richtung Hausmeistereingang lief, sah ich, dass drüben am Naturwissenschaftstrakt irgendwas los war. Zwei Jungs und zwei Mädchen stritten sich, schrien und fluchten und stießen sich gegenseitig herum. Drei von ihnen erkannte ich wieder – Jayden Carroll, Carl Patrick und Nadia Moore   –, das andere Mädchen musste Leona, Jaydens Freundin, sein. So wie Nadia ihr Handy herumschwenkte und Leona ins Gesicht stieß, ging ich davon aus, dass es bei dem Streit um die SMS ging, die ich letzte Nacht geschickt hatte – die, die Nadia glauben ließ, Carl hätte was mit Leona.
    Ich blieb hinter einer Säule stehen und sah zu, wie der

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