iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
chilenischen Antarktisprovinz. Eineinhalb Tage benötigte das Schiff für diese Strecke.
Als wir zum Anleger des Frachters am späten Nachmittag kamen, wurden die letzten zu transportierenden Autos und Anhänger auf das Schiffsdeck gefahren. Paletten, große Kisten und Anhänger standen bereits dort. Arbeiter in Overalls machten ihre letzten Handgriffe, bis die wenigen anderen Passagiere und wir an Bord gehen durften. Wir schlängelten uns durch die schmalen Lücken zwischen den vertäuten Gegenständen. An die Passagiere wurden wenige Zugeständnisse gemacht, schließlich lag das Hauptgeschäft im Transport von Gütern. Es war ein Frachter und kein Vergnügungsschiff für Urlauber. Einen höheren Anspruch hatten die Passiere aber auch nicht. Viele der Mitreisenden waren Chilenen, die in Puerto Williams wohnten oder beim Militär arbeiteten. Manche Erledigungen konnten sie nur auf dem Festland machen und nahmen hierzu das Frachtschiff, das ihren Wohnort sowieso anlief. Der Flug war den meisten zu teuer.
Während wir ablegten, stellten wir uns auf den erhöhten Teil des Decks, um die Aussicht zu genießen. Der ununterbrochene Wind pfiff uns harsch um die Ohren. Ein paar wenige Passagiere standen wie wir eingepackt in warmen Jacken, Mützen und Handschuhen draußen. Dem Rest war die Aussicht scheinbar egal oder zur Genüge bekannt.
Das erste Stück unserer Fahrt schipperten wir auf der Magellanstraße. Es war die Meerenge zwischen dem südamerikanischen Festland und der Inselgruppe Feuerland, die eine Verbindung vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean schaffte; eine Abkürzungen, die Magellan im fünfzehnten Jahrhundert fand, um die Umschiffung des gefürchteten Kap Horns zu vermeiden. Jeder der an Deck stehenden Personen schaute so fasziniert auf das Wasser, als ob der Geist Magellans noch zu entdecken wäre.
Ein allein reisender Berliner in unserem Alter blickte ebenso fasziniert wie wir in die Ferne. »Wie lange seid ihr schon unterwegs?«, fragte er neugierig, nachdem wir uns schon eine Weile miteinander unterhalten hatten.
»Über zwei Jahre«, grinste ich ihn an.
»Ich gönne mir eine Auszeit von einem Jahr. Ich habe aber erst vor einem Monat mit meiner Reise begonnen.«
Als er uns erzählte, was er bereits in den ersten Wochen alles bereist und sozusagen abgehakt hatte, mussten Birte und ich lachen. Er guckte uns überrascht an.
»Wir lachen nicht über dich«, klärte ich ihn auf. »Wenn wir an den Beginn unserer Tour zurückdenken, dann müssen wir immer lachen. Wir waren so verdammt schnell getaktet, wollten möglichst viel sehen und erleben, wie du jetzt. Wir sind so gereist, wie wir zuvor gearbeitet und gelebt hatten. Im Rückblick etwas zu schnell.«
Der Berliner schaute mich an: »Wie lange hat es bei euch gedauert, bis ihr ins Reisen gekommen seid?«
Mich erstaunte seine Frage, denn er beschäftigte sich jetzt schon mit Dingen, die ich mir zu Beginn unserer Tour nie gestellt hatte. »Wir können es fast an einem Punkt festmachen.«
Ich schaute Birte neben mir an. Sie lächelte mir wissend zu, weil wir schon oft darüber gesprochen hatten.
»Bei uns hat sich ein Schalter in Mexiko umgelegt, in der »Baja California«. Ich weiß allerdings nicht, ob es an dem Zeitpunkt lag, nämlich nach zehn Monaten Reisezeit, oder an den Menschen, die wir dort trafen.« Voller Freude dachte ich an die australisch-holländische Familie auf zwei Tandems zurück. Wir hatten das Paar mit ihren beiden Söhnen in einem kleinen Ort in der Baja kennengelernt. Sie hatten uns mit einem breiten Lächeln auf der Straße angesprochen, weil wir ihnen als ausländische Reisende aufgefallen waren. Ihre offene, herzliche Art gefiel uns sofort. Am Tag unseres Kennenlernens waren wir nicht wie geplant weitergefahren, sondern geblieben. Wir räumten der Begegnung mehr Gewicht ein als unserem Zeitplan.
Sie hatten uns bei einem gemeinsamen Essen viel über sich erzählt: von der Eigenbeschulung ihrer zwei Teenagerjungs, von ihrer Wohnwagentour in Australien und ihrer jetzigen Reise mit zwei Tandems durch die Welt. Unterwegs teilten sie mit notleidenden Menschen ihre unbändige Energie und schufen neue Zuhause mit ihren eigenen Händen. Nicht für sich selbst, sondern für andere. Sie praktizierten ohne Hintergedanken oder Erwartungen Nächstenliebe und Völkerverständigung. Das Reisen wurde ein Teil ihres gemeinsamen Lebens als Familie.
»Ihre Reise war aber nicht ausschlaggebend für unsere Faszination. Diese Familie lebte ihre
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