iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Zukunft unseres Landes wohl schon vorausgesehen.
Früh am Morgen erreichten wir den kleinen Ort Puerto Williams auf der Insel Navarino. Er erfüllte all unsere unspektakulären Erwartungen von einem abseits gelegenen Ort ohne Tourismus-Trubel.
In der südlichsten Stadt der Welt am Beagle-Kanal wohnen nur ungefähr zweitausend Menschen. Dementsprechend gelassen wird dort, weit ab von allem, gelebt. Die einzige Straße der Insel ist wenige Kilometer lang und die Wege zum nächsten Nachbarn im Ort kurz. Die Atmosphäre würden viele mit »am Arsch der Welt« beschreiben, was ja so falsch nicht ist.
Wir suchten uns eine private Unterkunft im Ort. Unsere Gastfamilie war in den Sommermonaten zusammengerückt und bot nun den wenigen Gästen, die das unbeständige Klima nicht abschreckte, Zimmer an. Dabei hatten wir Riesenglück mit dem Wetter. Die Sonne lugte ab und zu durch die aufgequollenen Wolken, so dass wir uns jede noch so kleine Straße des Ortes zu Fuß ansahen. Kaum ein Auto fuhr an uns vorbei. Ein Hund hatte sich uns als neue Herrchen ausgesucht und tapste neben uns her. An den bunt gestrichenen Holzhäusern stapelten sich jetzt im Spätsommer schon Mengen an Feuerholz. Die anstehenden Wintertage warfen ihre kalten und langen Schatten voraus.
Wir saugten die Langsamkeit auf.
Mit unserer Ankunft kamen auch die erwarteten Lebensmittel vom Festland an. Wir standen in einem kleinen Tante-Emma-Laden, in dem die Regale flink gefüllt wurden, sich aber ebenso schnell durch die Wocheneinkäufe der Einheimischen wieder leerten. Die Verkäufer hatten alle Hände voll zu tun. Trotzdem blieb für jeden Kunden Zeit für einen Plausch. Die Finger konnten schließlich genauso schnell arbeiten, wie sich der Mund bewegte. Es wurde gelacht und sich gestenreich miteinander unterhalten.
Als wir in der Post standen, um einige Karten nach Hause zu schicken, lagen die gerade angekommenen Pakete für alle offen zugänglich auf dem Boden verstreut. Schnell füllte sich der kleine Raum. Jeder kramte auf der Suche nach einem Paket, vielleicht, weil er sehnsüchtig eins erwartete oder auch, weil er sich die Zeit vertreiben wollte.
Wir schlenderten weiter zum kleinen Hafen, an dem wir am Morgen angekommen waren. Ein fünfhundert PS-starkes Rennboot mit norwegischer Flagge stand auf einem Anhänger zur Verladung bereit. Wir fragten neugierig einen Hafenarbeiter, was denn ein dreisitziges Rennboot aus Norwegen hier zu suchen hätte? Wasser und Natur gab es schließlich in Norwegen reichlich.
»Der wohlhabende skandinavische Besitzer ist in zweieinhalb Stunden mit seinem Boot von Puerto Williams zum Kap Horn gesaust.« Der Mann lachte bei der Vorstellung dieser Verrücktheit laut auf. »Er selbst ist schon wieder mit dem Flugzeug abgereist. Sein Boot wird mit dem Frachtschiff nach Punta Arenas gebracht und von dort geht es per Flugzeug irgendwo anders hin«, damit drehte er sich um und arbeitete weiter.
»Mal eben schnell zum Kap Horn rasen«, sagte Birte zu mir, während wir weiter am Ufer entlang gingen und den Ort verließen.
Ich musste an die ersten Monate unserer Tour zurückdenken, an Alaska. Wir waren dort noch von der scheinbaren Unerreichbarkeit der Naturparks ohne Straßen und Verbindungen enttäuscht gewesen. Nun erkannte ich ganz andere Zusammenhänge: Wäre es nicht viel sinnvoller, uns besonderen und abgelegenen Orten in der Natur verträglich zu nähern, auch wenn das Anstrengung und Zeit erforderte?
Das waren zwei Dinge, die die meisten Menschen vermieden oder nicht aufbringen konnten. Aber ohne Zeit und Mühe sollten wir und die touristische Masse auf den Besuch solcher Orte vollständig verzichten. Wir sollten einfach auf dem gemütlichen Sofa die hautnah gedrehten und interessanten Tierfilmdokumentationen genießen und damit zufrieden sein. Mit der Gewissheit, dass zwar alles möglich ist, wir die Natur in empfindlichen und einmaligen Ökosystemen aber lieber so respektieren, wie sie es verdient. Ohne uns Menschen und damit in sicherer Entfernung.
Denn der Mensch akzeptiert keine Grenzen, die ihm die Natur auferlegt. Das ist im Gegenteil eher ein zusätzlicher Ansporn, um in die entlegensten Winkel der Welt zu gelangen. Wie mit dem Rennboot zum Kap Horn. Alles ist möglich, denn die Hutnadeln müssen gesammelt werden, egal was es kostet und wie sinnvoll es ist. Und so sprießen besonders in diesem Teil der Welt sogenannte Expeditionsanbieter aus dem Boden und bringen Menschenmassen an Orte, die diese
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