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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Sentimentalität, und dass wir sie nicht im dunklen Lager in Hamburg gelassen hatten.
    Mir schoss das Bild des Parkplatzes vom gestrigen Tag in den Kopf. Als wir ankamen, hatte ich bereits dieses komische Gefühl in der Magengegend gespürt. Wir hatten uns den Platz mit aus der Luft gegriffenen Argumenten sicher geredet. Die kanadischen Gefängnisse waren in unseren Vorstellungen nicht existent. Kanada empfanden wir sowieso als menschenleer, mit Ausnahme der Städte, und als friedlich allemal. In Deutschland leben im Vergleich zehnmal so viele Leute auf einem Fleckchen Erde. Unsere Paranoia über den Parkplatz hatten wir also als typisch deutsche Skepsis deklariert und uns damit beruhigt, dass unser Camper im Rudel anderer Metallkarossen schon beschützt stehen würde.
    Warum ich den Platz in dieser wunderschönen Kulisse als unsicher empfunden hatte, konnte ich noch nicht einmal sagen. Letztendlich hatten die unzähligen rationalen Argumente aber über mein ungutes Gefühl gesiegt. Ich hatte nicht auf meine innere Stimme, mein Bauchgefühl, welchen Namen es auch immer trug, gehört. Das war fatal, wie sich jetzt herausstellte, denn die Evolution hatte offensichtlich nicht grundlos solch ein körpereigenes Frühwarnsystem entwickelt. Das schon seit Millionen von Jahren Gültigkeit besitzt.
    Ich fühlte mich nicht nur elendig, sondern war auch wütend über mich selbst. Denn von simplen technischen Warngeräten ließ ich mich fremdbestimmen. Mehr noch, ich schätzte sie. Ich trampelte nicht auf meinem Feuermelder herum, versäumte nicht die Alarmanlage einzuschalten – wenn ich denn eine gehabt hätte – oder warf nicht mein Navigationsgerät in den Mülleimer. Mein uraltes Warnsystem der Evolution dagegen ignorierte ich störrisch, was dem Wurf in den Mülleimer gleichkam. Für meinen geistigen Horizont war dieses ausgereifte System der menschlichen Entwicklung nicht nachvollziehbar und damit nicht wirklich existent. In unserer modernen Welt musste alles auf rationale Formeln und Systeme heruntergebrochen und bewiesen werden. Ich hatte schlichtweg verlernt, auf die eigenen Signale und Warnzeichen zu achten.
    »Ich habe irgendwie ein komisches Gefühl«, war auch meine einzige vage Empfindung gewesen, als mir damals der Chefjob in der Firma auf dem Silbertablett serviert worden war. »Ein komisches Gefühl«, das war alles, was ich mir an Zweifeln erlaubt hatte. Im hektischen Alltag und im Job war es leicht, diese irrealen Warnungen zu ignorieren. Sie ließen sich in keine To-Do-Liste auf Wiedervorlage schreiben und auch nicht als Email mit Wichtigkeitsfähnchen abspeichern.
    Beim Jobangebot hatte ich beherzt und mit aller Kraft zugegriffen, bevor der Silberteller in der Runde gekreist war und jemand anderes mir die Stelle vor der Nase wegschnappen konnte. Ich war nicht so blöd gewesen, viele dumme Fragen zu stellen oder aufgrund eines komischen Gefühls das Angebot abzulehnen.
    Aber der Silberteller hatte sich schnell als Porzellanteller entpuppt und war in meinen Händen in tausend Teile zersprungen.
    Jetzt stand ich wieder vor einem Haufen Scherben. Ich verfluchte meinen rational denkenden Kopf. Wann würde ich endlich wieder lernen, mehr auf mein Bauchgefühl zu vertrauen, auf die innere Stimme zu hören oder dem sechsten Sinn zu folgen? Es war zumindest ein passender Tag, um endlich damit anzufangen!
     
    Traurig und vollkommend niedergeschlagen fuhren Birte und ich vom Parkplatz zu einer dörflichen Polizeistation, die an diesem Karfreitag eine unmotivierte Bereitschaft stellte. Danach ging es weiter in ein kleines kanadisches Nest mit einem einzigen Textilgeschäft, um so banale Dinge wie Unterhosen und Socken zu kaufen und uns eine Unterkunft zu suchen.
    Die Stunde des rationalen Handelns samt nüchterner Schadensbegrenzung hatte geschlagen. Wir begannen zu reparieren, Scheiben einzusetzen, zu improvisieren und unser verbliebenes Eigentum von den Spuren der Diebe zu reinigen. Endlose und haarklein aufgedröselte Listen mit unseren geklauten Sachen wurden für die Polizei geschrieben. Sorgsam – aber desillusioniert – katalogisierten wir alles, immer mit dem Bewusstsein, nur irgendwelche Aktenhaufen zu vergrößern, aber mit der Motivation, uns stumpf ablenken zu können. Dinge im Wert von mehreren Tausend Euro waren zwar weg, aber wir konnten trotzdem weiterreisen. Denn die essentiellen Dinge, wie unser Camper, die Pässe und Kreditkarten waren nicht gestohlen worden.
    Nachdem wir alles innerhalb einer

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