iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
sofort seiner inneren Stimme folgen und nicht immer warten, bis der richtige Zeitpunkt verpasst ist.«
Wir nickten ihr schweigend zu. Sie hatte mit so wenigen Worten alles gesagt.
Und dieses Mal wussten wir genau, was Ilse meinte: das Bauchgefühl, die innere Stimme, der sechste oder sogar siebte Sinn. Jeder hatte einen anderen Namen dafür. Aber es war egal, welchen es trug. Entscheidend war das Gefühl, dem wir in Zukunft mehr vertrauen wollten – unserem Gefühl.
Ingo Unsympath Tabu Seelenklempner Couch Scheinwelt Unwohlsein fehlendes Mitgefühl leere Worthülsen Schmachtfilm Urlaub letzter Patient | iBurn-out Hamburg Spätsommer
I m Frühjahr war ich das erste Mal von meinem Hausarzt krankgeschrieben worden. Der Befund einer Ohrenentzündung verhalf mir damals zu einer kurzen Auszeit von zwei Wochen, ohne weitere skeptische Nachfragen Dritter. Ich hatte ein bisschen mehr Schlaf in meiner arbeitsfreien Zeit gefunden, aber konnte in der Kürze nichts Grundlegendes verändern. Meine Umgebung mit den dazugehörigen Menschen war unverändert geblieben, wie ich selbst auch.
Schleichend kam die energielose Leere zurück, die durch nichts aufzufüllen war. Im Job konnte ich mich gut genug zusammenreißen, so dass niemandem eine Veränderung an mir auffiel, zumindest sprach mich keiner persönlich an.
Aber sobald ich zu Hause war, zog vieles, ohne in mein Bewusstsein vorzudringen, an mir vorbei. Ich wusste nicht, welches Wetter gerade war. An mir ging der Jahreszeitenwechsel ohne jegliche Notiz vorbei, mein Zeitempfinden war weg. Nach dem Essen wusste ich kurze Zeit später schon nicht mehr, was ich gegessen hatte und, ob es mir besonders geschmeckt hatte. Die gewöhnlichsten Dinge verschwanden in der Banalität und Austauschbarkeit. Ich war teilnahmslos und flachte emotional ab. Häufig war ich einfach unbeteiligt, lag weinend auf dem Bett oder starrte Löcher in die Luft und spürte in jeder Zelle des Körpers eine tiefe Erschöpfung. Ich konnte nicht mehr laut und herzlich aus dem Bauch heraus lachen oder mich überschwänglich freuen. Die positiven Empfindungen schienen in der Mittelmäßigkeit zu gipfeln. Von dort rutschte ich immer häufiger in ein dunkles emotionales Loch ab, in dem keiner und nichts mich mehr erreichte. Ich schaute aus dem Loch nach oben und sah, wie mein Leben über mich hinweg flog. Tagsüber herrschte der normale Wahnsinn im Job und nachts reihten sich die schlaflosen Nächte aneinander. Tag für Tag, Woche um Woche.
Die physische und psychische Erschöpfung hatte mich schnell wieder eingenommen, trotz neuer Fluchtversuche in zusätzliche Ruhezonen. Sie waren gut gemeinte Versuche von Birte gewesen, aber blieben trotzdem bloß Augenwischerei. Auch wenn äußerlich Ruhe herrschte, fand ich sie innerlich nicht.
Vier Monate nach der ersten Krankschreibung kam dann der vorprogrammierte Rückschlag. Ich war jetzt wieder arbeitsunfähig und krankgeschrieben.
Aufgeschoben war eben nicht aufgehoben.
Nun war ich das erste Mal auf dem Weg zu einem Psychiater, zum Seelenklempner auf die Couch. Den Ursachen meiner Beschwerden sollte nicht von einem Allgemeinmediziner, sondern von einem psychologischen Fachmann auf den Grund gegangen werden. Und mittlerweile hatte mein Hausarzt der Krankheit auch einen Namen gegeben: Burn-out. Mit »ein bisschen Ausschlafen« oder »wie einen kleinen Schnupfen auskurieren«, wie es einige Außenstehende salopp formulierten, war es nicht mehr getan.
Nachdem mein Zustand einen offiziellen Krankheitsnamen erhalten hatte, begann ich selbst, meine Lage als tatsächliche Krankheit zu verstehen, die dringend behandelt werden musste. Meine Problemverdrängung oder Schönmalerei hatte mit der neuen Krankschreibung ein jähes Ende gefunden. Ein schriftliches Attest bescheinigte mir schwarz auf weiß die Ernsthaftigkeit meiner Situation. Ich war krank.
Eine Bekannte hatte mir den Kontakt für den Psychiater vermittelt. Sie war die einzige, die gerade heraus über ihre bestehende Therapie gesprochen hatte. Ich war über ihre offene Hilfe froh gewesen, denn nach einem Zahnarzt konnte ich ungeniert in großer Bekanntenrunde fragen, nach einem Urologen schon verlegen, aber nach einem Psychiater oder Psychologen hatte ich noch niemanden öffentlich reden gehört. Nur in Hollywood-Schmachtfilmen war es schick, einen zu haben. In unserem Land wurden zwar immer mehr dieser Fachärzte benötigt und auch konsultiert, aber kaum einer sprach darüber.
Ein
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