iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
knochentrockene Luft war klirrend kalt. Der Atem bildete dicke Wolken. Eiskristalle legten sich auf die feuchten Wimpern und ließen den Augenaufschlag schwer aussehen. Die Zähne schmerzten bei offen stehendem Mund und wirkten zerbrechlich wie Glas.
Wir legten unsere deutsche Naivität in Bezug auf Kälte in einer menschenleeren Umgebung genauso schnell ab wie wir uns Kerzen, Verpflegung, Rettungsausrüstung, warme Winterkleidung und dicke Schlafsäcke als Grundausstattung für das Auto bereit legten. Auch die Motorblockheizung, eine Art Tauchsieder für das Motoröl, entpuppte sich nicht mehr nur als unsinniges Spielzeug, sondern kam zum notwendigen Einsatz. Denn alles fror innerhalb weniger Stunden ein. Selbst Öl wurde zähflüssig.
Wir machten Bekanntschaft mit einer gnadenlosen Kälte, die das Leben aushauchen und die Technik schnell funktionslos machen konnte. Aber vielleicht gerade deswegen empfanden wir die Unendlichkeit der zugefrorenen kanadischen Seen und die Prärie im Landesinneren als atemberaubend schön. Das winterliche Kanada mit seinen extremen Temperaturen und gewaltigen Schneemassen flößte uns noch größeren Respekt vor der Natur ein als wir ohnehin schon besaßen.
Unterwegs von der Ostküste in den Westen Kanadas, kurz vor den Rocky Mountains, fanden wir unser neues Zuhause: Eine winterfeste Wohnkabine, die nun huckepack auf die Ladefläche unseres Pick-ups gehoben wurde. Wir verstauten unsere mitgebrachten Habseligkeiten bis die große Holzkiste leer war. Nachdem wir nach nur wenigen Tagen Renovierungsarbeit den Camper vom kanadischen Wohnmobilkitsch befreit und durch viel Farbe charakterlich angepasst hatten, empfanden wir die Fieberglashülle als unser Zuhause. Für die nächsten Jahre!
Dann war es endlich so weit. Birte und ich konnten auf den allerersten Tag im fertigen Camper anstoßen. Unsere Reise sollte – nun richtig – beginnen. Alles war geplant und gepackt. Zur Feier des Tages hatten wir uns in einer Hütte des kanadischen Bergvereins, dem »Alpine Club of Canada«, in der Nähe des Banff Nationalparks einquartiert. Nur die erste Nacht wollten wir unserem Camper untreu werden und ihn gegen ein Hüttenlager in den legendären Rocky Mountains eintauschen.
Der Tag empfing uns mit herrlichem Sonnenschein. Es war viel los auf den Straßen. Das lange Osterwochenende lockte die Menschen für einen sonnigen Tag oder einen Kurzurlaub in die Natur. Die Kanadier sehnten sich nach dem langen kalten Winter offensichtlich nach dem Licht der Frühlingssonne.
Vom Trans-Canada Highway bogen wir nach der Beschreibung des kanadischen Bergvereins auf eine kleine Schotterstraße ab. Der Parkplatz für die Hütte und eine nahe liegenden Lodge befanden sich am Ende dieses Weges. Er lag so weit vom viel befahrenden Highway entfernt, dass die hohe Vegetation den Verkehrslärm schluckte. Vom ersten Moment an, als wir auf den Parkplatz einbogen, fühlte ich mich unwohl und äußerte dies auch laut: »Ich hab kein gutes Gefühl, den Wagen hier nachts stehen zu lassen.«
Birte stimmte mir zu. Es parkten hier viele Autos aus den unterschiedlichsten Provinzen. Trotz des schlechten Gefühls im Bauch gesellten wir uns zu ihnen, ließen unseren Camper nur schweren Herzens allein und begannen mit unserer mehrstündigen Wanderung durch eine winterliche Bilderbuchkulisse zur Berghütte, um dort die Nacht zu verbringen.
Wir waren am Nachmittag nach mehreren Stunden Wanderung auf der unbewirtschafteten Hütte angekommen. Mit einer weiteren kanadischen Familie, die mit uns dort übernachtete, verbrachten wir den Abend. Irgendwann waren wir dann müde in unsere Schlafsäcke, in einer kleineren Hütte in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes, gekrochen.
Beim Aufwachen am nächsten Morgen öffnete ich meine Augen einen winzigen Spalt und ließ das Licht auf meine Netzhaut fallen. Es war noch sehr früh, aber die Helligkeit, die durch die kleinen Sprossenfenster schien war bereits so stark, dass sich Konturen abzeichneten. Ich öffnete meine Augen ganz. Dicke runde Baumstämme reihten sich übereinander, deren Ritzen mit Moos abgedichtet waren.
Ich steckte wie eine zufriedene Larve im Kokon bis zur Nasenspitze im warmen Schlafsack. Neben mir schlummerte Birte in einer gekrümmten Embryostellung. Hier in den Rocky Mountains hatte ich das Gefühl, im siebten Himmel zu schweben – und das nicht nur wegen des Hochbetts.
Die Lebensgeister regten sich langsam auch bei Birte. Eingekuschelt sprachen wir
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