iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
ungeschminkt heraus.
»Heute Nacht sind alle parkenden Fahrzeuge aufgebrochen worden. Die haben es sich leicht gemacht und einfach die Scheiben eingeschlagen. Bei euch haben sie eine Wagenscheibe und die hintere der Wohnkabine zertrümmert.«
Birte und ich schauten uns betroffen und geschockt an. Unser höfliches Dankeschön an den langhaarigen Sonnyboy hörte sich, wie schon bei der Frau in der Hütte, in unseren Ohren komisch an.
Wir zogen unser Tempo an und versuchten dadurch, den zwölf Kilometer langen Fußmarsch zeitlich zu verkürzen. An der Tatsache des Einbruchs konnten wir nichts mehr ändern. Der Drops war gelutscht, wie man so passend sagte.
Ich malte mir in Gedanken aus, wie wir unseren Camper vorfinden würden. Außerdem überlegte ich fieberhaft, was wir versteckt und was wir nur verstaut hatten. Konnten die Diebe so viel gestohlen haben, dass wir die Reise nicht mehr fortführen konnten? Mir schossen die schlimmsten Hirngespinste durch den Kopf.
»Was sie wohl alles geklaut haben?«, sprach Birte meine Gedanken als Erste aus. »Die hatten bestimmt schon so viel aus den anderen Autos geräumt, dass …« Birte beendete diesen Satz erst gar nicht. »Die Räuber haben bestimmt eine aus Deutschland ausgewanderte Oma, wie irgendwie alle hier. Es gibt hier sicherlich einen Ehrenkodex für Diebe: Deutsche Camper dürfen nicht ausgeraubt werden. Die haben unser deutsches Kennzeichen bloß zu spät erkannt.«
Eine rein weibliche Logik, deren komplexer Grad meine überstieg. Aber sie zeigte, dass Birte sich genauso große Sorgen machte, wie ich es still tat. »Bei dem hellen Vollmond gestern Nacht haben sie nichts erkannt, meinst du?«, hakte ich ernüchternd nach.
»Okay, dann brauchten sie wenigstens keine Lampe, um die anderen Autos zu entdecken. Der Wagen, mit dem die Einbrecher kamen, war bestimmt vollgestopft mit anderem Diebesgut. Lauter Taschen und so ein Zeugs. War bestimmt kein Platz mehr im Auto«, beendete Birte ihre bizarren Fantasien.
Ich sagte gar nichts dazu, schwieg lieber und ging gedankenversunken weiter. Sie hatte so nebenbei ein wichtiges Stichwort fallengelassen. Wir hatten alle Taschen und wasserdichten Transportsäcke erst einmal unausgepackt verstaut. Alles war ordentlich nach Winter- und Sommerklamotten sortiert, für zwei Jahre in allen Klimazonen.
Es sollte schon mit dem Teufel zugehen, wenn am ersten richtigen Tag unserer Reise mit dem Camper etwas passieren sollte, hatten wir uns beim Parken vor der Wanderung lachend eingeredet. Der Tag war zu schön gewesen, um an etwas Negatives zu denken.
Von weitem schimmerte uns die weiße Plastikfolie an der Fahrertür entgegen. Es ging beim aufgebrochenen Camper nicht nur mit dem Teufel zu; der Teufel hatte anscheinend ein ausgiebiges Schwefelbad genommen. Dieses Mal knirschten beim Näherkommen nicht die feinen Schneekristalle unter unseren Stiefeln, sondern die kleinen Scherben des Sicherheitsglases.
Ich rannte als erstes an die rückseitig liegende Campertür, die ebenfalls zum »Tag der offenen Tür« einlud. Sie war offen und ihre Scheibe eingeschlagen. Mein Gesicht erstarrte, als ich nichts mehr auf dem Boden des Campers entdecken konnte. Der Wagen der Diebe war wirklich geräumig gewesen, denn alle unsere großen Taschen hatten scheinbar Platz gefunden. Auch die sperrigen Ski waren nicht zu lang und die helle Vollmondnacht nicht zu kurz gewesen. Jedes Stückchen Stoff, jedes noch so kleine Teil aus den Schränken war offensichtlich durch ihre Hände gewandert. Der Camper war nicht vollständig ausgeräumt, denn die Diebe gingen bei ihrer Auswahl wählerisch vor. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Das Töpfchen war ihr Wagen und das Kröpfchen unser verwüsteter Camper. Sie hatten außerdem jede Abdeckung losgeschraubt und durchsucht. Trotzdem waren ihnen unsere wichtigsten Verstecke, die wir nach MacGyver-Vorbild in Deutschland ausgetüftelt und eingebaut hatten, verborgen geblieben.
Obwohl unser Camper nicht vollständig ausgeräumt war, empfanden wir ihn subjektiv trotzdem als leer. Das Fehlen vieler praktischer Klamotten, teurer Gegenstände und vor allem unserer Lieblingsdinge vermittelten den Eindruck von Leere: Es fehlte meine Filzmütze aus Norwegen, Birtes bunte Muschelkette vom Straßenmarkt in Kapstadt und der in Australien gekaufte Bikini. Es waren die vielen wertlosen Dinge mit Seele gewesen, die wir auf dieser langen Reise um uns scharren wollten. Wir verfluchten nun unsere
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