iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
so besonders. Alles lag noch verwunschen unter der Dichte des tropischen Dschungels verborgen.
Wissenschaftler aus aller Welt vermuten mittlerweile, dass sich unter der Vegetation noch weitere Ruinen verbergen. Caracol hat damit die größte Ausdehnung aller bereits entdeckten Mayaruinen. Unglaubliche Ausmaße, die es zu erforschen gilt.
Wir waren zwei Stunden über die Anlage gegangen und hätten gern noch länger die Atmosphäre genossen, aber wir wollten unbedingt vor Sonnenuntergang zurück sein.
Die anschließende Rückfahrt auf den Motorrädern eines uns unbekannten chinesischen Fabrikats kam uns mit jeder Minute beschwerlicher vor. Am Abend konnten wir gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit von ihnen absteigen. Der breitbeinige Gang eines Cowboys wirkte grazil gegen unseren. Uns tat nach der viel zu langen und holprigen Piste alles weh. Staub klebte auf der Oberfläche unserer Zähne und war zwischen jede verschwitzte Speckfalte gelangt. Wir fühlten uns so wie wir aussahen: Wie Unerfahrene, die »mal eben« in den Tropen Motorrad fahren waren.
Die deutschen Bekannten warteten nach unserer Dusche mit einer Flasche Wein auf uns. »Wir hatten heute Besuch von Mandy.«
»War sie alleine hier?«
»Ja, Ralf musste arbeiten.«
In seinem noblen Bürokomplex mit unbekannten Büroangestellten, dachte ich bei mir. Ich verkniff mir allerdings diese Boshaftigkeit und erzählte nichts.
Mandy hatte an diesem Tag den beiden ihr Herz ausgeschüttet, so erzählten es unsere Bekannten. In den Telefonaten mit der Heimat hielt sie das perfekte Bild der Auswanderer aufrecht, das allerdings nichts mit der Realität zu tun hatte. Die alten Freunde zuhause wussten nicht, dass die Ersparnisse nahezu aufgebraucht waren und die Geschäftsideen ihres Mannes auch nach einem Jahr noch keine Früchte trugen, noch nicht einmal Knospen.
Sie hatte erzählt, dass er neue Freundschaften in Kreisen suchte, in denen er sich den teuren Wein zum bloßen Mittagessen nicht einmal leisten konnte. Schwächen zu offenbaren und Niederlagen einzugestehen waren etwas für »loser«, hatte sie Ralfs Worte wiedergegeben.
»Schade. Sie tun mir wirklich leid«, konnte ich nur aufrichtig sagen.
Jeder von uns Vieren schaute stumm in sein Glas. Eine beklemmende Stimmung ergriff uns. Wir wussten alle, wie wertvoll Freunde und das soziales Umfeld waren, besonders wenn eine schwierige Phase im Leben zu überwinden war. Auf unehrliche und unechte Schaumschläger konnte jeder verzichten.
Ich musste an einen Jungen aus meiner Schulzeit denken, mit dem keiner spielen wollte. Jeder erinnerte sich wohl an solch ein Kind aus der Schulzeit, den man dann nach Jahren auf einem Klassentreffen wiedersah. Er war als Junge einfach doof gewesen. Dabei stand diese naive Umschreibung eher für das Fehlen der passenden Chemie oder auch das Vorhandensein komischer Eigenschaften. Die Empfindung basierte einfach auf kindlicher Ehrlichkeit und Intuition. Bei dem Jungen aus meiner Kindheit halfen auch die vielen Süßigkeiten nicht, die seine Mutter ihm freizügig für die Bestechung mitgab. Die anderen Kinder und ich hatten die Süßigkeiten damals gemeinsam binnen weniger Minuten aufgegessen, um ihn danach mit einer leeren Tüte alleine stehenzulassen. Nicht mal eine Tonne Bonbons half ihm, Freunde zu finden. Er hatte es als Kind nicht gelernt und, wie ich später auf einem Klassentreffen bemerkte, als Erwachsener auch nicht. Er war zu einem Prahlhans geworden, mit dem sich auf dem Treffen niemand gern unterhalten wollte. Als Kind hatte er mit Bonbons versucht, sich Freunde zu erkaufen, als Erwachsener probierte er es mit seinen materiellen Besitztümern. Ob er damit erfolgreich war, wagte ich zu bezweifeln. Was im Kindesalter nicht funktioniert hatte, klappte im Erwachsenenalter schon gar nicht.
Ralf war hoffentlich nicht wie der doofe Junge aus der Schulzeit, dessen Bonbons alle nahmen. Denn irgendwann könnte seine Bonbontüte leer sein, aber Freunde würde er vielleicht trotzdem keine haben.
Wir mochten uns gar nicht vorstellen, wie schwierig und zerreißend es für Ralf und Mandy war, ein Bild aufrecht zu erhalten, das es so gar nicht gab. Mandy schien darunter besonders zu leiden. Sie konnte sich noch nicht einmal Hilfe holen, weil ihr Mann mit niemanden über die Probleme sprechen wollte, weder mit seinen Freunden zuhause noch mit den neuen in Belize. Vielleicht würden sie ihm sogar helfen und ihn trotz seiner Misserfolge schätzen. Aber er wollte sich sein
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