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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Ritual erwartete ich eher zwischen Mitgliedern einer New Yorker-Straßengang in der Bronx als in dieser tropischen Kleinstadt. Jeder Vorbeifahrende wurde mit gewichtiger Miene von Ralf gegrüßt, während wir ein anderes Motorrad auf die Ladefläche luden. Sein rechter Arm schnellte zum erhobenen Gruß in alle Richtungen und eine vorbeigehende Frau wurde nebenbei noch mit einem Wangenküsschen begrüßt.
    Nach etlichen überschwänglichen Begrüßungs- und Verabschiedungsriten fuhren wir endlich los. Ich konnte mir nicht verkneifen zu sagen: »Die Frauen im Büro kannten dich gar nicht. Eine Telefonnummer hatten sie auch nicht von dir.« Ich schaute ihn von der Seite an. Er fuhr mit der ewig gleichen Miene lässig seinen Wagen.
    »Das ist noch alles ganz neu und wird gerade aufgebaut. Wir stecken noch in der Anlaufphase.«
    »Aber das Büro gibt es doch schon länger. Das ist nicht dein Büro, oder?«
    »Nein, natürlich ist das nicht mein Büro. Wie kommst du denn darauf?«
    Scheinheiliges Bürschchen, dachte ich. Ja, wie konnte sich in meinem Kopf nur diese Absurdität entwickelt haben? Wörtlich hatte er es in seinem Redeschwall tatsächlich nicht gesagt. Manchmal reichte das einfache Weglassen oder Andeuten auch aus.
     
    Nach einer Stunde fuhren Birte und ich wieder auf funktionstüchtigen Motorrädern in Richtung Mayaruine. Die staubige Piste war mit Schlaglöchern gespickt. Die Spurrillen reichten teilweise bis zu den Schienbeinen. Es war nun, außerhalb der Regenzeit, eine staubige Strecke. Bei Regen war sie nicht passierbar. Nur der abgelegene Militärposten schob das ganze Jahr durchgehend Wache, denn hier gab es jede Menge, was über die guatemaltekische Grenze verschoben wurde. Jeder Tourist wurde auf dem Weg in den Regenwald zur Ausgrabungsstätte in einem dicken Buch registriert.
    Nach drei Stunden kamen wir mit schmerzenden Muskeln an den Mayaruinen »Caracol« an. Unsere Beine waren vom teilweise stehenden Fahren noch ganz wackelig. Uns und die Stoßdämpfer hatten die ausgefahrenen Schlaglöcher mächtig in die Knie gezwungen. Die chinesische Minimaltechnik der Motorräder hatte dabei kräftig gelitten.
     
    In Caracol wurde unsere Einschätzung zu Touristenströmen wieder einmal bestätigt: Wenn etwas beschwerlich war, dann gab es wenige Personen, mit denen wir die Besonderheit teilen mussten. Es parkten nur weitere fünf Fahrzeuge, als wir durch den Eingang traten.
    Caracol war eine der wichtigsten Städte der Maya gewesen, mit einer für die damaligen Verhältnisse beeindruckenden Einwohnerzahl von Hunderttausend, die Hälfte der heutigen Belizianer.
    Obwohl wir kaum andere Menschen um uns hatten, konnte von Stille keine Rede sein. Der dichte Dschungel umgab uns mit unbekannten Tiergeräuschen. Die Laute hallten über der freigelegten archäologischen Anlage wie unter einer Glocke wider. Versteckte Tiere raschelten im tropischen Unterholz. Große Schmetterlinge durchschnitten die Luft und farbenfrohe Vögel schossen durch das Laub der Bäume. Eine Ameisenstraße kreuzte unseren Pfad. Die kleinen Sechsbeiner schleppten knallgrüne Blattstücke über eine dicke Humusschicht und verschwanden damit in einem Loch. Ein giftig aussehender Frosch hüpfte über die Stufen der Pyramide und verschwand im dichten Grün. Eine Echse sonnte sich an der Rinde eines Baumes. Biestige Mücken steckten selbst durch unsere Klamotten ihre biegsamen Rüssel. Ihr lautes Summen hing zwischen den aufragenden moosbedeckten Bäumen. Die Luft war zum Schneiden dick, es war schwül und der modrige Geruch inmitten der tropischen Vegetation schwer.
    Die feuchten Tropen gehörten generell nicht zu unserem Wohlfühlklima. Dabei litt ich noch mehr als Birte. Mein persönlicher Thermostat funktionierte irgendwie anders. Außerdem hatten wir vor dem, was in den Tropen kreuchte und fleuchte, einen Riesenrespekt. Aber hier musste auch ich über meinen eigenen Schatten springen, denn das unbekannte tropische Belize war es mit jedem Schweißtropfen wert.
    Überall ragten behauene Steine von unzähligen Wohnstätten und Tempeln aus der grünen Kulisse hervor. Riesige Stuckmasken lagen mittlerweile farblos, aber von Erde befreit vor uns. Aufgebaute Holzgerüste standen an Stellen, wo Archäologen und ihre Helfer behutsam etwas ausgruben. Sie versuchten dem Dschungel seine kulturelle Vergangenheit zu entreißen. Die Natur hatte ihnen bis jetzt nur ein winziges Stück zurückgegeben. Aber gerade das machte diese Ausgrabungsstätte für uns

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