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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Möglichkeiten, körperlich gesund zu bleiben oder nach einer Krankheit wieder zu genesen, waren limitiert. Krankheit war ein Zustand, den sich hier niemand leisten konnte.
    Armut und Wohlstand lagen, wie Krankheit und Gesundheit, besonders in den Städten Boliviens nicht weit voneinander entfernt. Wie auch in Potosí. Unsere Reise brachte uns in diese geschichtsträchtige Stadt, die im südwestlichen Teil der frucht- und vegetationslosen Anden lag. Sie war am Fuße einer silberfunkelnden Schatzkammer, dem »Cerro Rico«, dem reichen Berg entstanden. Die perfekt geformte Pyramide in fünftausend Meter Höhe hatte bereits die Aufmerksamkeit der Inkas angezogen. In ihrer Mythologie hatten sie den Berg »Sumaq Urqu«, sehr schöner Berg oder Steinherz, genannt. Schon in ihrer Zeit offenbarte die Oberfläche des Berges seine weiß glänzenden Strähnen aus reinstem Silber. Alle ahnten, dass im Inneren Edelsteine und Metalle schlummerten. Diese wurden dem Berg jedoch erst mit der Kolonialherrschaft der Spanier entrissen. Der Silberstrom nahm gigantische Dimensionen an. Die bolivianische Stadt Potosí zählte damals zu einer der größten und reichsten Städte der Welt. Der Wohlstand blieb an den Herrschenden in Potosí hängen, bevor das nicht abschätzbare Vermögen weiter nach Europa abgeflossen war.
    Nun barg dieser Berg nur noch unbedeutende Reste an wertvollen Metallen, vor allem Silber. Der einstige Reichtum war zur traurigen Vergangenheit geworden.
     
    Es gab in Potosí die Möglichkeit, sich einige Minen des Cerro Rico anzusehen. In den Schächten des Berges wurden noch immer die Reste der Erze abgebaut.
    Wir hatten mit anderen Reisenden diskutiert, ob wir uns einer Führung anschließen sollten oder nicht. Die Worte eines Freundes gaben den Ausschlag für unsere Entscheidung: »Die eigene Vorstellungskraft reicht nicht aus, um das Schicksal der Minenarbeiter zu erahnen. Ihr müsst euch ein eigenes Bild von den Menschen machen, damit ihr anderen davon berichten könnt. Ihr müsst es selbst erleben.« Bei seinen Erinnerungen an die eigene Minentour vor zehn Jahren hatten seine Augen wieder einen traurigen Blick bekommen.
    Der Dokumentarfilm »Devil’s Miner – Der Berg des Teufels« hatte uns ein Stück weit die schonungslose Realität durch bewegende Bilder vor Augen gehalten. Wir konnten danach zumindest erfassen, auf was wir uns einlassen würden.
    In verschiedenen Büchern waren die Zustände beschrieben worden: Mehrere Millionen Menschen, Einheimische und vor allem afrikanische Sklaven, mussten seit der spanischen Eroberung und der damit verbundenen Ausbeutung ihr Leben in oder am Berg lassen. Potosí mit dem Cerro Rico war das Schwergewicht in der Geschichte der kolonialen Barbarei. Weitere unzählige Minen, die sich wie schwarze Bänder durchs Land und über den Kontinent zogen, blieben meistens in der unbeachteten Anonymität verborgen.
    Wir trafen die Entscheidung zu einer Minenführung, um uns selbst ein Bild machen zu können. Einige Anbieter von Minentouren priesen ihre Führungen mit der reißerischen Umschreibung »abenteuerlich« an.
    Wie gefühlskalt musste man sein, um in tödlichen Minen Abenteuerlust und Adrenalinkick zu suchen?, dachte ich betroffen, aber auch ärgerlich. Die Minenarbeit war das »normale Leben« vieler Bolivianer.
     
    Wir rumpelten am Morgen mit einem kleinen Bus mit zehn weiteren Touristen über das Kopfsteinpflaster der Stadt. Ingos Kopf schlug, wie der eines dekorativen Wackeldackels, heftig im Auto hin und her. Die Muskulatur meines Nackens zog sich ebenfalls krampfhaft zusammen. Ich war zum Zerreißen angespannt, weil ich erahnen konnte, was mich während der Minentour erwartete: pechschwarze Dunkelheit, massenhaft Staub, keine Sicherheitsvorkehrungen, gefährliche Sprengungen und menschliche Schicksale.
    Der Busfahrer hielt vor einem Haus an, in dem wir für unsere Minenbesichtigung eingekleidet werden sollten. Unsere bolivianische Führerin, Maria, war eine Frau in meinem Alter, Mitte Dreißig. Sie begrüßte unsere international zusammengewürfelte Gruppe, umriss kurz den Ablauf und half bei der Suche nach passender Kleidung. Wir sollten als Schutz eine Hose und Jacke aus schwerer Baumwolle über die eigene Kleidung ziehen. Jeder bekam auch einen metallischen Arbeitshelm auf den Kopf gesetzt. An dessen Stirnseite befestigten wir eine Lampe. Ein fingerdickes Kabel führte für die Versorgung mit Elektrizität zu einem schweren Akku. Der klemmte am Ledergürtel, der

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