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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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übers Kinn. Schließlich waren von ihm nur noch die Augen zu sehen. Sie blieben mehrere Stunden lang offen, blickten starr geradeaus, und dann, gegen sieben Uhr morgens, schlossen sie sich langsam, und Jack sank in einen unruhigen, aber traumlosen Schlaf.

BUCH VIER

    Der letzte Fall
    2 TAGE SPÄTER

Einunddreißig
    Selbst für eine Trauerfeier war Kids Beerdigung eine ungewöhnlich traurige und ernüchternde Angelegenheit.
    Dom begleitete Jack, und das erste, was er sagte, als Jacks Wagen vorfuhr, um ihn abzuholen, war: »Mein Gott, Jackie, wir gehen zuviel zu vielen Scheißbeerdigungen.« Als Jack mit verkniffener Miene nickte, fügte Dom hinzu: »Erinnerst du dich noch an das letzte Mal, als wir an diesem gottverdammten Ort waren?« Jack brauchte die Frage nicht zu beantworten. Sie wußten beide genau, wann sie das letzte Mal dort gewesen waren. Es lag dreizehn Jahre zurück. Damals hatten sie Sal Demeter beerdigt. Sal war noch keine vierzig gewesen, als er starb. Sein Sohn hatte nicht einmal seinen sechsundzwanzigsten Geburtstag erlebt.
    Der Wagen brachte sie zum Pier der Staten-Island-Fähre. Beide Männer kauften Tickets und schlenderten auf das Boot. Jack und Dom waren die einzigen Fahrgäste in Schlips und Kragen. Die meisten Leute trugen Shorts oder Jeans und TShirts. Es waren vorwiegend Touristen oder freizeithungrige Bewohner Manhattans, die froh waren, für ein paar Stunden die City hinter sich zu lassen und etwas anderes zu sehen. Einige Männer auf dem Boot waren, wie Jack vermutete, Polizisten oder Feuerwehrleute auf dem Weg zur Arbeit. Viele städtische Angestellte wohnten auf Staten Island. Es war eine komfortable Wohngegend für Arbeiter und Angestellte: Die Häuser hatten Gärten, und die Umgebung schien ideal, um viele Kinder großzuziehen und Haustiere zu halten. Außerdem hatte das Wohnen auf Staten Island auch noch andere Vorteile. Dort wurden die Straßen stets zuerst vom Schnee geräumt. Stromausfälle wurden sofort beseitigt und der Müll immer rechtzeitig abgeholt.
    Während der kurzen Überfahrt blieb Dom unter Deck, doch Jack war unruhig und ging nach oben. Er hatte nie geraucht, aber jetzt war einer der seltenen Momente in seinem Leben, in denen er sich eine Zigarette wünschte. Er brauchte irgend etwas in der Hand, irgendwas, um sich zu beschäftigen. Anstelle von Zigaretten zog er sich einen Baby-RuthRiegel aus einem Automaten. Dann konnte er sich ein wenig entspannen. An seinem Schokoriegel knabbernd, lehnte er an der Reling und blickte hinunter in die schäumenden Wellen.
    Während die salzige Gischt auf das Deck spritzte, sein Gesicht und sein Haar benetzte, kehrten Jacks Gedanken zu seinem Gespräch mit Sgt. McCoy zurück. Selbst jetzt, drei Tage später, versuchte er noch immer, die einzelnen Punkte des Vorfalls zusammenzusetzen, um einen Sinn darin zu erkennen und den Schlag zu verarbeiten.
    »Nein, das ist unmöglich«, hatte er auf McCoys Feststellung, Kid habe Selbstmord begangen, fast gebrüllt.
    »Ich fürchte, so war es«, hatte der Sergeant entgegnet. Sie schien aufrichtig betroffen, dachte Jack, als betrachtete sie es nicht nur als ihren normalen Job, schlechte Nachrichten zu überbringen. Es war, als nähme sie Anteil. Als empfände auch sie den Verlust. Es war ihre Traurigkeit, die ihn davon überzeugte, daß sie die Wahrheit sagte.
    Danach sagte Jack für längere Zeit kein Wort. Ihre Mitteilung hatte ihn zutiefst erschüttert, und er fühlte sich schwach, so daß er, ohne McCoy hereinzubitten, ins Wohnzimmer ging und sich auf die Couch sinken ließ. McCoy folgte ihm jedoch nicht sofort. Sie ließ ihm Zeit, sich zu sammeln.
    Als sie langsam das Wohnzimmer betrat, ließ sie sich in einen der Ledersessel nieder. Sie wartete, bis Jack sich einigermaßen gefaßt hatte und sagte: »Hat er irgendeine Nachricht hinterlassen … äh … Officer … wie soll ich Sie anreden?«
    »Mein Vorname ist Patience, vielleicht der unpassendste Name, den man sich vorstellen kann, denn ich werde ihm in keiner Weise gerecht. Wenn Sie wollen, können Sie mich so nennen. Oder Sergeant, das ist auch okay. Den meisten Leuten ist Sergeant lieber.«
    »Okay … Sergeant … Hat er einen Brief hinterlassen?«
    »Wenn es einen gab, haben wir ihn noch nicht gefunden«, antwortete sie. »Aber im Augenblick sind einige Leute von uns dabei, die Wohnung zu durchsuchen.« Sgt. McCoy zögerte, beugte sich vor, einen gespannten Ausdruck im Gesicht, doch dann mußte sie es sich anders überlegt haben, denn

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