Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
Vom Netzwerk:
Riesenschweinerei befand.
    Sgt. Patience McCoy vom NYPD, 8. Revier, Tribeca, stand in der Greenwich Street, etwa fünf Meter südlich der Duane. Sie befand sich vor einem der wenigen hohen Gebäude in diesem Teil der Stadt. Es war ein Apartmenthaus, das erst fünf Jahre zuvor umgebaut worden war. Es gab keinen Portier, aber einen Hausmeister. Er hatte nichts gesehen, natürlich nicht, sondern nur ein Geräusch gehört. Und dann weitere Geräusche – Leute, die laute Rufe ausstießen, wildes Hupen und ähnliches. Daher war er rausgegangen, um nachzusehen, was passiert war. Er nannte ihr den Namen der Person, die auf dem Bürgersteig lag, erzählte ihr, daß sie erst vor kurzem, vor ein paar Monaten vielleicht, eingezogen war. Ein netter Kerl. Freundlich. Noch ziemlich jung.
    Jung, dachte McCoy. Jetzt war er nicht mehr jung. Er war uralt.
    Sie blickte zum Dach des Gebäudes hoch. Sie tat es aus keinem besonderen Grund, es war nur um einiges angenehmer, als auf den zerschmetterten Körper ein paar Schritte entfernt hinunterzuschauen.
    »Ich geh mal rauf in seine Wohnung«, informierte sie ihren Partner, einen anderen verdammten Anfänger. Ständig teilte man ihr die weißen Neulinge zu.
    »Was soll ich tun?« fragte er.
    »Auf den Krankenwagen warten. Er sollte jeden Moment eintreffen.« Ihr entging nicht, daß er ein wenig grün um die Nase war. »Und versuchen Sie bitte, nicht zu kotzen.«
    Der Hausmeister brachte sie im Fahrstuhl zum Penthouseapartment. Als sie es betrat, stieß sie unwillkürlich einen Pfiff aus. Normalerweise tat sie so etwas nicht. Sie dachte, daß die Leute gewöhnlich aus reiner Schau pfiffen, aber dies war wirklich beeindruckend. Und der Ausblick war ebenfalls phantastisch. Sie trat hinaus auf den kleinen Balkon, der einem winzigen Tisch und zwei ebenso winzigen Stühlen Platz bot. Die Schiebetür war geschlossen worden, wie sie bemerkte. Nun, das ergab Sinn. Dieser Junge hatte nicht vorgehabt, wieder reinzugehen.
    Es gab keinerlei Anzeichen für eine Auseinandersetzung. Die Wohnung war sauber und aufgeräumt. Auf der Küchenanrichte stand eine halbleere Flasche Bier, Pete’s Wicked Ale. Auf dem Rauchtisch befand sich eine leere Dose Cola Light. Sie schaute in die anderen Zimmer. Das Bett war ungemacht, die Laken zerwühlt. Ansonsten war alles picobello.
    Auf dem runden Eßtisch lag ein Handy. Es war bereits eingeschaltet, daher drückte sie auf »Menü« und klickte auf die Taste für den Vorwärts-Pfeil, bis das Wort »Nachrichten«, gefolgt von einem Fragezeichen, auf dem Display erschien. Sie drückte auf »OK«, und eine neue Zeile tauchte auf. Sie lautete:
    Ein Anruf, Jack Keller. Dahinter stand eine Telefonnummer. Und dahinter die Frage Abspielen?
    Sgt. McCoy betätigte den »OK«-Knopf, hielt das Handy ans Ohr und hörte Jacks Nachricht.
    Danach holte sie ihr eigenes Mobiltelefon hervor und wählte. Als die Person am anderen Ende sich meldete, identifizierte Sgt. McCoy sich, nannte ihre Dienstnummer und sagte: »Ja, Sie können mir helfen. Ich brauche eine Adresse. Sofort.«
    Genau siebenunddreißig Minuten später befand McCoy sich in einem anderen Teil der Stadt, in der East 77th Street zwischen Madison und 5th Avenue. Sie befand sich in einer anderen Penthousewohnung, saß in einem ledernen Drehsessel in einem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer und blickte auf einen echten Edward Hopper, der die Wand schmückte.
    Sie war im Begriff, einer der unangenehmsten Pflichten ihres Jobs nachzukommen.
    Sie setzte Jack Keller davon in Kenntnis, daß sein junger Freund, George »Kid« Demeter, einen sehr guten Grund gehabt hatte, an diesem Abend das Basketballspiel zu versäumen. Er war tot. Er war vom Dach seines achtzehn Stockwerke hohen Apartmenthauses gesprungen. Ein Selbstmord.

Dreißig
    Es war drei Uhr morgens, und die Stadt lag in tiefe Dunkelheit gehüllt. Der Mond versteckte sich hinter Dunst und dicken, wirbelnden Wolken, und am Himmel war kein einziger Stern zu sehen. Auf den Straßen waren nur wenige Autos unterwegs. Ihre Scheinwerfer schafften es nicht, für nennenswerte Helligkeit zu sorgen. Die Bewohner der Gebäude schliefen. Fenster waren mit Jalousien bedeckt. Sogar der üblicherweise zu beobachtende Lichtschein von einigen die Nacht durchflimmernden Fernsehern fehlte. Die Stadt war schwarz. Und still.
    Jack schob die Glastür auf, die zu seiner Terrasse führte. Nackt bis auf einen hellblauen und weißen Baumwollmantel, ein altes Geschenk von Caroline, zögerte er, ehe

Weitere Kostenlose Bücher