Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
Vom Netzwerk:
ging geradewegs zum Fahrstuhl, als er ihr nachrief: »Drücken Sie auf ›Penthouse‹. Ich gebe den Fahrstuhl frei.«
    Sie durchsuchte die Wohnung solange, bis ihr bewußt wurde, daß sie die Luft anhielt. Sie hatte angenommen, eine weitere Leiche zu finden, und erst als sie sah, daß sie sich getäuscht hatte, konnte sie wieder atmen.
    McCoy wußte, daß sie einfach ruhig bleiben und abwarten sollte. Wenn sie ungeduldig würde, könnte sie ja wieder abziehen. Aber wie sie schon im Alter von drei Jahren festgestellt hatte, war sie nicht der geduldige Typ, also entschied sie, sich, solange sie hier wäre, auch gleich gründlich umzusehen. Sie übertrat keinerlei Gesetz. Jack Keller war kein Verdächtiger, und sie suchte nicht nach irgendwelchem Belastungsmaterial. Sie hoffte bloß, daß irgend etwas sie auf eine Idee bringen würde. Daß irgend etwas einen Hinweis darauf lieferte, was im Gange war … und wie man es aufhalten konnte.
    Sie war länger als eine Dreiviertelstunde dort, blätterte in Papieren, öffnete Schubladen, fand aber nichts von Bedeutung, als sie den Fahrstuhl hörte.
    Es ist soweit, dachte McCoy. Dann wappnete sie sich, um die schlechte Nachricht zu überbringen.
    So viel zu dem Sprichwort, daß aller schlimmen Dinge drei sind. Da war das vierte Ding. Unglaublich. Aber kein echtes Problem, auf jeden Fall noch nicht. Auch Ding Nummer vier würde erledigt werden.
    Das mußte die Polizistin sein, der weibliche Sergeant. Aber was hatte sie hier zu suchen? So erschrocken, wie sie dreinschaute, war sie vermutlich allein. Das war gut. Aber sie sah auch mißtrauisch aus, und das war schlecht. Sie würde ihre Deckung nicht lange unten lassen. Nicht lange, und sie würde wissen, was Sache war. Also lieber sofort handeln. Lieber sofort zuschlagen und erst später Fragen stellen. Auf diese Weise gäbe es vielleicht keine weiterenÜberraschungen mehr.
    Sie war clever, diese Polizistin, das war offensichtlich. So, wie sich ihre Augen verengten, spürte sie, daß etwas nicht stimmte. Und sie war schnell, denn sobald sich ihre Blicke trafen, stellte sie nicht mal irgendeine Frage, sondern griff sofort nach ihrer Pistole. O ja, sie war clever und schnell.
    Aber nicht clever und schnell genug.
    McCoy wußte, sie würde es schaffen.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie. Und als die Antwort kam – ein simples »Nein« –, da wußte sie Bescheid.
    Sie war dafür ausgebildet, die Dinge zu erkennen und gleichzeitig zu handeln, und genau das tat sie. Daher war sie noch nicht einmal sonderlich ängstlich, denn alles erschien absolut richtig: daß sie das Apartment aufgesucht hatte; daß sie aus wenig mehr als aus einer Laune heraus dort gewartet hatte und sich ihr nun die Möglichkeit bot, alles abzuschließen. Daher war sie, als sie sich bewegte, nichts mehr als siegessicher.
    Aber als sie ihre Pistole ziehen wollte, griff sie daneben. Nicht ganz, aber sie erfaßte sie nicht sauber, ihre Finger streiften den Griff nur, und sie mußte nachfassen. Sie erkannte sofort, daß diese wenigen zusätzlichen Sekunden entscheidend waren, aber sie brach ihren Versuch nicht ab.
    Sie sprang zurück, hoffte, damit die Zeit zu gewinnen, die sie brauchte, aber wie alles andere in diesem gottverdammten Fall lief nichts so wie geplant.
    Sie erkannte, daß das Messer, welches auf sie niederzuckte, dasselbe war, das aus Dominick Bertolinis Fabrik entwendet worden war. Sie begriff auch, daß ihr Gegenüber Die Entertainerin ermordet hatte. Und Samsonite und Die Totengräberin und Die Erfüllung. Und sie war die nächste. Auch das begriff sie jetzt.
    Und zuletzt begriff sie, daß sie vergessen konnte, sich mit ihrem geliebten Elmore in Buck’s County zur Ruhe zu setzen. Sie würde statt dessen sterben, mitten in New York City sterben.
    Die Polizistin bewegte sich. Das durfte sie aber nicht.
    Keine Überraschungen mehr. Das war sogar ein noch besseres Motto als: Vorsicht ist die Mutter der Weisheit.
    Die Klinge zischte abermals durch die Luft, und mehr war nicht nötig.
    Das rote Blut sprudelte und breitete sich langsam auf schokoladenbrauner Haut aus. Sie griff sieb an die Kehle, ließ dabei die Pistole fallen, und zum erstenmal war da jemand, der nicht dreinschaute, als könnte er nicht glauben, daß er sterben würde. Sie sah aus, als erwartete sie zu sterben. Und darüber ärgerte sie sich ganz eindeutig.
    Selbst nachdem die Polizistin gestorben war, sah sie sehr, sehr wütend aus.
    Das konnte man ihr wirklich nicht verübeln. Aber es

Weitere Kostenlose Bücher