Icarus
Antrag auf Erteilung einer Ausschankerlaubnis für alkoholische Getränke, dem stattgegeben wurde. Schon vor einer halben Ewigkeit.«
»Scheiße«, fluchte McCoy.
»Aber …« sagte Lewis, »… da ist etwas über Caroline Keller.«
»Was denn?«
»Sie hat eine Klage eingereicht. Vor neun Jahren. Wegen Belästigung.«
»Machen Sie’s nicht so spannend, dazu habe ich keine Zeit. Erzählen Sie schon.«
»Ihr Ehemann hielt sich in England auf, und sie wurde von einer Frau belästigt. Emma Rhowam. Engländerin. Sie war hier auf Urlaub.« Er klopfte auf seine Akte. »Hier steht, daß Mrs. Rhowam wiederholt Mrs. Keller mit obszönen Botschaften und Drohanrufen verfolgt hat. Einmal hat sie sie sogar auf der Straße tätlich angegriffen. Keller hat ein Unterlassungsurteil erwirkt, das offenbar dem Spuk ein Ende bereitet hat. Die Anrufe und sonstigen Belästigungen hörten auf. Sonst noch was?«
Aber McCoy hörte bereits nicht mehr hin. Das brauchte nichts zu bedeuten, sagte sie sich. Neun Jahre sind eine lange Zeit. Und da mußte nicht unbedingt eine Verbindung bestehen. Es konnte etwas Harmloses sein. Vielleicht haben die Kellers sich über den Hund dieser Frau lustig gemacht. Oder die Kellers haben ihr im Restaurant schlechtes Essen serviert. Die Kellers …
Es traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Denk nicht an die Kellers, sagte sie sich. Denk an Kid.
Was hatte Jack ihr über Die Erfüllung erzählt? Kids romantische Beschreibung? Topeka ist ein Städtchen, Cleveland ist eine Stadt, aber Rom ist eine Erfüllung.
Rom ist eine Erfüllung.
Wie wäre es mit Rhowam?
Ich verwette meinen Hintern, daß sie eine Erfüllung ist. Sie ist Die Erfüllung. Das mußte es sein. Und vor neun Jahren hatte Emma Rhowam Caroline Keller attackiert. McCoy hatte keine Ahnung, warum, aber im Augenblick waren die Warums unwichtig. Wichtig war nur, sie zu finden.
Wenn sie mit Kid in Verbindung gestanden hatte, bedeutete das, sie war vermutlich in New York. McCoy griff nach dem Telefonbuch von Manhattan. War es tatsächlich so einfach? Ja, es war. Emma Rhowam, 627 West 9 th Street.
Verdammt noch mal.
Sie wählte die eingetragene Telefonnummer und zeigte sich zugegebenermaßen überrascht, als sich eine Frauenstimme mit »Hallo?« meldete.
»Ist dort Emma Rhowam?«
»Ja. Das bin ich. Wer spricht dort?«
»Sergeant Patience McCoy, NYPD. Kennen Sie einen Kid Demeter, Ms. Rhowam?«
Eine Pause. »Darf ich fragen, worum es geht?«
»Das würde ich gern persönlich mit Ihnen besprechen. Ich kann in zwanzig Minuten bei Ihnen sein.«
»Ich fürchte, ich bin so gut wie unterwegs zum Flughafen, Sergeant. Ich fliege nach London. Ich war praktisch schon aus der Tür, als das Telefon klingelte.«
»Nun, ein Vorschlag in aller Güte, Ms. Rhowam. Wie wäre es, wenn Sie einen anderen Flug nehmen?«
»Es tut mir leid, aber …«
»Es wird Ihnen noch mehr leid tun, wenn Sie es nicht tun. Denn dann werde ich in Erfahrung bringen, welchen Flug Sie nehmen, das schaffe ich mit zwei Telefongesprächen, das ist für uns Polizeitypen das Einfachste von der Welt, und es geht schneller, als Sie für Ihre Fahrt zum Flughafen brauchen. Und wenn Sie jetzt nicht mit mir reden wollen, passiert folgendes: Sie fahren raus zum Flughafen, Sie gehen an Bord, und zwei riesige, gefährliche Sicherheitsleute werden Sie aufhalten, Sie verhaften, Ihnen die Arme auf den Rücken drehen und Ihnen Handschellen anlegen. Dann werden sie Sie hierher zu mir bringen. Und dann werde ich richtig böse sein. Ich schlage also vor, daß Sie Ihren Flug canceln und zu einem späteren Zeitpunkt nach England fliegen. Und jetzt warten Sie in Ihrem Apartment, ich komme zu Ihnen, so schnell ich kann, okay?«
Nach einer langen Pause hörte sie die Frau am anderen Ende der Leitung ein »Okay« murmeln, und Sergeant McCoy knallte den Hörer auf die Gabel. Sie erhob sich von ihrem Schreibtisch und stieß beinahe mit Lewis zusammen, der noch immer im Zimmer stand und jedes Wort neugierig verfolgt hatte.
»Können Sie das wirklich tun?« fragte er atemlos. »Können Sie wirklich feststellen, welchen Flug sie nimmt, einfach so, und die Sicherheitsleute in Marsch setzen, damit sie sie verhaften?«
»Lewis«, sagte sie, »wenn ich Glück habe, schaffe ich es, daß der verdammte Fahrstuhl auf dieser Etage anhält. Aber das weiß sie nicht, oder?« Und als seine Augen sich mit einem Ausdruck andächtiger Bewunderung weiteten, sagte sie: »Und jetzt schauen Sie noch einmal in Ihre Akte,
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