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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Tag an das erinnert, was geschehen ist.«
    Er konnte jetzt alles sehen: Die Zeitungsschlagzeilen vor fünfzehn Jahren. Die Revolverblätter hatten sich auf die Story gestürzt und sie ganz groß aufgemacht: Mädchen tötet Freundin, um Cheerleader zu werden. Es war ein Skandal, und alle sprachen und schrieben darüber: Wie konnte das geschehen? Ist der Druck in den Schulen zu groß? Was passiert heute mit unseren Kindern? Aber der Name war falsch. Der Name war in jenen Wochen so berühmt, es war wie die Amy-Fischer-Affäre, die Leute machten schreckliche Witze, aber der Name war falsch …
    »Ich erinnere mich«, flüsterte er. »Der Name … nicht dein Name …«
    »Ich habe meinen Namen geändert«, sagte Grace. Ihre Tränen waren versiegt, und sie war jetzt ganz ruhig. Das Weinen schien sie völlig erschöpft zu haben. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, nachdem sie starb. Die Polizei hat alles aufgeklärt, ich war unschuldig, sie verstanden, was passiert war, daß es ein Unfall war, aber alle anderen … die Kinder in meiner Schule, Karas Eltern, o Gott, Karas Eltern, sie wohnten im Block, und es war so entsetzlich … Alles stand in den Zeitungen … es kam im Fernsehen … die Leute glaubten, ich hätte meine beste Freundin umgebracht, damit ich eine verdammte Cheerleaderin sein kann … Meine Eltern mußten umziehen, mein Vater kündigte seinen Job … Ich verließ die Schule … Du kannst es dir nicht vorstellen. Daher änderte ich meinen Namen.«
    Grace Lerner. Das war der Name. Er entsann sich: Grace Lerner!
    »Niemand hat es je erfahren. Als ich nach New York zog, war ich Grace Childress, das war der Mädchenname meiner Mutter. Niemand wußte, wer ich war, und ich konnte wieder ein ganz normaler Mensch sein. Ich habe es niemals jemandem erzählt. Bis Kid kam. Wir redeten immer über alles, und ich vertraute ihm, und du kannst dir nicht vorstellen, welche Last ich mit mir herumschleppte, von der niemand etwas ahnte, daher kam es eines Tages einfach so heraus. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Ich vermute, daß er daraufhin meinen Namen, Die Novizin, änderte«, sagte sie. »Dieser Mistkerl.«
    Er konnte sehen, wie sie das Messer umklammerte. Während sie redete, wurde ihr Griff fester und fester.
    »Nachher habe ich zutiefst bedauert, es ihm erzählt zu haben. Manchmal konnte ich nicht schlafen, wenn mir wieder mal klar wurde, daß jemand Bescheid wußte.«
    Jack schaute hoch. Bemerkte eine Bewegung hinter ihr. Er konnte nicht glauben, was er sah, nahm an, er hätte eine Halluzination. Aber es war real, ganz eindeutig. Es war wunderbar, beglückend real. Sorge dafür, daß sie weiter
    redet, dachte er. Nur noch ein paar Sekunden lang …
    »Deshalb hast du ihn getötet«, sagte er.
    Fassungslos sah sie ihn an. Sie war geschockt, daß er es laut ausgesprochen hatte. »Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Glaubst du das etwa?« Als er nickte, sagte sie: »Nein! Es bedeutete nur, daß er jetzt mit mir reden konnte. Deshalb kam er und erzählte mir alles. Von seinen Ängsten. Er vertraute mir, weil er wußte, daß ich ihm vertraute. So wie ich dir jetzt vertraue. Du sollst nur verstehen, weshalb ich nicht die Polizei angerufen habe. Ich war bei ihm an dem Abend, als er starb. Ich habe meine Party verlassen, um zu ihm zu fahren. Ich bin die Frau, die du suchst. Aber ich bin gegangen, ehe irgend etwas passierte. Wirklich, Jack, das mußt du mir glauben. Ich ging, kam jedoch später zurück, um ihm zu erklären, daß ich einen Fehler gemacht hatte, daß es vorbei wäre, diesmal wirklich, aber als ich ankam, war er schon tot. Ich sah ihn auf der Straße liegen und … ich konnte es dir nicht sagen. Ich wußte, daß du mich suchst, aber ich konnte nicht zu dir kommen. Oder zu diesem Sergeant. Ich wollte keine Publicity mehr, wollte das alles nicht noch einmal über mich ergehen lassen. Aber ich habe niemanden getötet …«
    »Doms Messer«, unterbrach Jack sie.
    »Ich habe es dir doch gesagt. Ich hab’s in der Küche gefunden! Ich verstehe nicht, was …«
    Aber Jack hörte sie nicht mehr. Er blickte hinter sie und sagte: »Nimm ihr das Messer ab.«
    Sie wirbelte herum, und Bryan stand jetzt direkt hinter ihr, er hatte sich angeschlichen, lautlos, auf leisen Sohlen, und nun packte er ihr Handgelenk. Jack hörte das Knacken und Graces kurzen Schrei, und Bryan hatte das Messer. Er hatte es ihr abgenommen. Hielt es hoch, mit einem verwunderten Ausdruck im Gesicht.
    »Sie hat ihn getötet«,

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