Icarus
Hundes, der in einem kleinen Zimmer eingeschlossen war und zu lange allein gelassen wurde. »Er hat es ihr erzählt , Mr. Keller. Alles über Harvey Wiggins. Er meinte, er hätte es nicht getan, aber ich habe es gemerkt.«
»Sie hat überhaupt nichts getan«, sagte Jack. »Sie wollte ihm nur helfen. Sie brauchte nicht zu sterben.«
»Doch, das mußte sie. Sie wollte ihn wegschicken. Weit, weit weg.«
Jack sackte in sich zusammen. »Nach London.«
»Wie sollte ich nach London kommen, Mr. Keller? Wie konnte ich bei ihm sein, wenn er so weit weg wäre?«
»Er wußte es? Kid wußte, daß du … daß du … sie getötet hast?«
»Nein. Da noch nicht. Aber hier, wieder in New York, da begann er zu begreifen, wie schlau ich wirklich war. Er fing an, es sich zusammenzureimen. Ich wollte nicht, daß er es jemals erfuhr, denn ich wollte, daß er mich liebt. Ich hatte solche Angst, daß er … daß er mich vielleicht haßte, wenn er es herausbekam …«
»Was gab es da herauszubekommen, Bryan?«
»Daß ich die Einladungen gekriegt hatte. Zu Ihrer Eröffnung. Ich sagte Kid, ich würde ihn in Ruhe lassen, damit er gehen könne, wohin er wolle. Ich sagte ihm, ich würde Virginia verlassen, weil er mich nicht wolle. Weil er mich nicht mehr liebte. Aber ich ging nicht weg. Ich dachte mir einen besseren Plan aus. Damit er niemand anderen mehr lieben konnte, nur noch mich.«
»Du gingst zu meiner Frau.«
»Sie wußte von mir und hatte Angst. Ich erklärte ihr, ich würde ihn in Ruhe lassen, aber sie müßte mir helfen. Sie dürfte mit niemandem darüber reden, vor allem nicht mit Kid. Sie müßte mir zwei Einladungen für Ihre Eröffnung besorgen. Zuerst wollte sie nicht, aber ich überzeugte sie, daß es okay wäre. Sie hielt sich für so schlau, das merkte ich. Sie dachte, ich wolle den Laden ausrauben. Aber ich wollte, daß sie das annahm, denn ich wußte, daß Geld ihr gleichgültig war. Mir auch, Mr. Keller. Ich wollte nur das, was mir zustand. Ich wollte, daß Kid mit mir zusammenblieb.«
»Bryan«, sagte Jack sehr langsam und sehr leise. »Kid hatte auch für dich einen Spitznamen, nicht wahr?«
Bryan nickte. »Er gefiel mir nicht. Er machte mich sogar wütend.«
»Der Irrtum. So hat er dich genannt.«
»Er sagte es mir, als wir auf dem College waren. Beim ersten Mal, als ich ihm erklärte, daß ich ihn liebte. Er meinte, ich verstünde nicht, was geschehen war, ich verstünde überhaupt nichts in bezug auf den Abend, als er weinte und ich ihn umarmt und geküßt hatte. Er sagte, alles, was ich wüßte, wäre ein großer Irrtum. Aber das war es nicht, Mr. Keller. Und ich bewies ihm, daß es das nicht war. Immer und immer wieder habe ich es bewiesen.«
»Wann wußte er es? Wann hat er das mit Caroline erfahren?«
»In der Nacht, in der er starb. Er hat mich gefragt.«
»Und du hast es ihm gesagt?«
»O nein. Ich meinte, egal, was er denke, er könne es nicht beweisen. Und ich riet ihm, lieber nicht darüber zu sprechen. Ich sagte, wenn er es Ihnen erzählte, würden Sie ihn nie wiedersehen wollen. Ich sagte, Sie würden ihm die Schuld geben. Und er wußte, daß ich recht hatte. Deshalb konnte er Ihnen auch nicht von der Frau erzählen, dieser Engländerin. Ihm war klar, daß Sie ihn hassen würden.«
»Welche Engländerin?« fragte Jack. »Was …«
»Deshalb hat er sich so sehr geirrt«, sagte Bryan, als hätte er Jack nicht gehört. »Ich habe ihn nie gehaßt. Egal, was er tat, ich konnte ihn nicht hassen. Ich liebte ihn so sehr. Die einzigen Leute, die ich haßte, waren die, die ihn mir wegnehmen wollten.«
Jack sah, wie Grace sich am Ende der Terrasse bewegte. Sie sah aus, als würde sie ohnmächtig, ihr Handgelenk hing in einem grotesken Winkel herab, aber er verfolgte, wie sie sich aufraffte und sich auf die Terrassenmauer zu bewegte. Jack erkannte, was sie versuchen wollte, und er spürte es erneut. Die Benommenheit legte sich auf ihn, und er dachte: Nein, du darfst es nicht zulassen. Du mußt dich dagegen wehren. Diesmal mußt du die Angst besiegen. Du mußt es …
»Was geschah, als du nach New York zurückkamst, nach Virginia?« zwang Jack sich zu fragen.
»Er sagte, er würde mit mir den Fitnessclub aufmachen«, antwortete Bryan. »Also schmiedeten wir Pläne. Und dann fing er an, Ihnen zu helfen. Er glaubte, er könnte Sie in Ordnung bringen, könnte wiedergutmachen, was ich Ihnen angetan hatte. Er fühlte sich schuldig, wissen Sie, für das, was mit Ihnen und Ihrer Frau passiert war. Er
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