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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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ihn nicht, machte gar nicht den Versuch, sich irgendwelcher Krankenbesuchsetikette zu bedienen; Andy Feldman hatte für ein Trost spendendes Auftreten und von Mitgefühl geprägtes Verhalten nichts übrig. Er vergewisserte sich noch nicht einmal, ob der Körper, der platt auf der Matratze lag, wach war. Er sagte nur beiläufig, als wollte er lediglich eine Tatsache feststellen: »Ich weiß, daß Sie es nicht empfinden, Jack, aber Sie haben Glück. Denn das menschliche Gehirn ist eine ganz erstaunliche Sache. Es kann im Augenblick zwar nicht das tun, was Sie sich am meisten von ihm wünschen, es kann Schmerzen nicht verhindern. Das kann nichts und niemand. Aber es tut etwas beinahe genauso Gutes. Es erinnert sich nicht an Schmerzen. Ich verspreche Ihnen, es wird Ihnen niemals, nicht für einen winzigen Moment, gestatten, sich an das zu erinnern, was Sie im Augenblick spüren.«
    In diesem Moment erkannte Jack, daß er wirklich überleben, daß er es schaffen würde. Wenn ihm erklärt worden wäre, daß die Schmerzen etwas Bleibendes seien, wenn er hätte annehmen müssen, daß er in einem Jahr, in zwei Jahren, irgendwann später aufwachen würde und sie noch immer da wären, unverändert, ihn einhüllend, seinen Körper durchdringend, dann hätte er sich umgebracht.
    Sobald Jack wußte, daß er leben wollte, konnte er sich gestatten, in die Vergangenheit zurückzukehren. Zu der Restauranteröffnung in Charlottesville. Zu dem Kampf im Restaurant. Zu dem Moment, als er die Treppe hinaufrannte und in das Büro im ersten Stock stürmte. Er konnte zulassen, daß dieses erstaunliche Gehirn reproduzierte, was ihm zugestoßen war. Und während er das tat, begann er die Welt wieder ein wenig besser zu verstehen.
    Und dann wurde ihm dieses bißchen Verständnis weggenommen.
    Anfangs glaubte er ihnen nicht. Sie belegen ihn. Das mußte es sein. Aber sie waren so ruhig, so selbstsicher. So verständnisvoll und so mitleidig. Und so unnachgiebig.
    Sie erzählten es ihm wieder und wieder, bis er anfing, es zu glauben. Sie zeigten ihm Zeitungsartikel und eine Story im Talk Magazine. Sie ließen sogar Dom kommen und es bestätigen, ja, sie sagten die Wahrheit, und dann legte er den Kopf auf Jacks Brust und konnte nicht aufhören zu weinen.
    Dann erst wußte Jack Bescheid.
    Caroline hatte nicht mit der Hand seine fieberheiße Stirn gekühlt. Sie hatte ihn nicht mit ihren geflüsterten Liebesworten ins Leben zurückgeholt. Das waren die Drogen, erklärten sie. Er hätte das alles halluziniert. Sie hätte niemals im Krankenhaus an seinem Bett gesessen.
    Denn in jener Nacht, der Nacht des Unfalls, war der letzte Laut, den er gehört hatte, ehe er das Bewußtsein verloren hatte, jene weit entfernte Explosion gewesen … sie hatte nicht weit entfernt stattgefunden. Und es war auch keine Explosion gewesen.
    Es war ein Pistolenschuß. Ein vierter Schuß nach den Schüssen, die seine Hüfte, sein Knie und seinen Leib durchschlagen und regelrecht zerfetzt hatten.
    Eine weitere gräßliche Barbarei. Mit dem Ziel zu vernichten. Auszulöschen. Zu töten.
    Nein, in der Welt, in die Jack zurückkehrte, gab es keinen Sinn mehr. Denn er hatte tatsächlich Glück gehabt. Er hatte seine Verletzungen überlebt.
    Aber Caroline nicht.
    Auf sie war einmal geschossen worden. Ein Schuß. In den Kopf.
    Und dann war sie hochgehoben und durch das Bürofenster geworfen worden.
    Der Schuß hatte sie getötet, erzählte man ihm. Sie war schon vor dem Sturz aus dem ersten Stock auf die Straße tot.
    Diese Information überraschte Jack nicht, als er bei Bewußtsein war und fähig, die Neuigkeit aufzunehmen und zu verarbeiten.
    Genauso wie er wußte, was das bedeutete.
    Es war eine Botschaft von jemandem, der über seine Vergangenheit Bescheid wußte.
    Eine Warnung.
    Von jemandem, der ihm auf diese Weise mitteilte, was die Zukunft für ihn bereithielt.

Zwölf
    Vorher war so gut gelaufen.
    Während war genauso gut gewesen.
    Aber danach lief alles schief.
    O ja, der erste Teil war einfach gewesen. Triff sie wie geplant, sieh ihre erfreuten Mienen, dann die Überraschung in ihren Augen. Zwei Schüsse. Schnell. Locker.
    Das war einfach super.
    Und alle waren total durcheinander. Niemand hatte die geringste Ahnung. Kein Motiv, keine Fingerabdrücke. Alles absolut sauber.
    Aber es sollte getan werden. Vorher, Während, Nachher, Vorbei . So lautete der Plan.
    Und jetzt sieh dir an, was passiert ist.
    Da waren sie, alle beide, zusammen im Zimmer. Beide bereit, Zeuge des

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