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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Gasse in einem tristen Block in einer tristen Stadt. Die Gasse sah richtig beschissen aus. Aber sie selbst sah gut aus. Richtig gut.
    Sie betrachtete das schattenhafte Spiegelbild in der schmuddeligen Fensterscheibe. Und ihren nackten Körper, so schlank und perfekt, absolut makellos, und sie leckte sich die Lippen. Sie beobachtete das Spiegelbild, während sie eine Hand auf die Anrichte legte, um das Gleichgewicht zu halten, ihr rechtes Bein hochhob und die Fußsohle inspizierte. Sie zupfte den kleinen Glassplitter aus ihrer Ferse und empfand dabei einen leichten, stechenden Schmerz.
    Sie stand auf einem Bein in der Küche, nackt, während ein dünner Blutstrom aus ihrer Fußsohle auf den Fußboden tropfte. Dabei betrachtete sie wie gebannt ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe, hinter der das graue Licht des anbrechenden Tages zu flackern schien.
    Was zum Teufel war das?
    Ach ja. Himmel noch mal, wie konnte sie das vergessen? Dieser Typ war da, in ihrem Bett.
    Dieser Typ, der etwas für sie tun würde. Was zum Teufel wollte er tun?
    Moment … Sekunde mal! Es fiel ihr ein! Klar! Verdammt klar! Sie erinnerte sich! Es war etwas Bedeutendes. Er würde etwas Wichtiges für sie erledigen.
    Was zum Teufel war es noch?
    Ach ja.
    Er würde ihr verdammtes Leben retten.
    D IE T OTENGRÄBERIN
    Es war in der ersten Nacht ihrer Flitterwochen, als sie er kannte, daß sie ihren Ehemann nicht liebte.
    Nein, es war mehr als das.
    Um Mitternacht, zehn Stunden nachdem sie einander das Jawort gegeben hatten, wußte sie, daß sie ihn haßte.
    Sie geriet nicht in Panik, als sie ihren Fehler erkannte, aus ihren Beobachtungen derart falsche Schlüsse gezogen zu haben. Sie war nicht der Typ, der zu Panikreaktionen neigte. Aber es überraschte sie, daß sie so sehr geirrt, daß ihre Menschenkenntnis derart versagt hatte. Schließlich war sie kein Kind mehr, als sie einander kennenlernten, und ganz sicher war sie nicht naiv, aber sie war noch nie von einem Mann wie Joe umworben worden. Er war so entschlossen, so überwältigend gewesen. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt gewesen, als er sie bei Tiffany’s gesehen hatte, wo sie damals arbeitete. Er war vierzehn Jahre älter und nicht gerade attraktiv, aber auf seine Art lüstern, und hatte einen souveränen Charme. Er war hereingekommen, um irgendein Schmuckstück zu kaufen – für seine Ehefrau, nahm sie an –, aber ohne danach gefragt worden zu sein, erklärte er, er sei nicht verheiratet, er sei noch nie verheiratet gewesen. Sie dachte, er würde lügen – sie erkannte sofort, wie er sie ansah, sah, wie der Ausdruck seiner Augen sein betont kühles Auftreten Lügen strafte und sein Verlangen nach ihr offenbarte –, aber es stellte sich heraus, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Vierzig Jahre alt und noch nie verheiratet. Okay. Schön. Der Schmuck war für eine Freundin gedacht. »Sie sieht aus wie Sie«, sagte er, »nur nicht so gut. Nicht so …« Er zögerte, konnte das richtige Wort nicht finden und kam dann heraus mit »… elegant«. Dann meinte er, sie sollte sich etwas aussuchen, das ihr gefiel, etwas, das ihr stand, so daß er entscheiden könnte, ob er es kaufen wolle. Als sie sich danach erkundigte, wieviel er anlegen wollte, lächelte er. Es war kein arrogantes oder blasiertes Lächeln. Ihr gefiel dieses Lächeln, es blendete sie und machte sie ein wenig schwach, denn es war das Lächeln von jemandem, der es gewöhnt war, absolut alles zu kriegen, was er haben wollte. Er brauchte nach diesem Lächeln nichts mehr zu sagen. Sie wußte, es bedeutete, daß der Preis keine Rolle spielte. Daß der Preis nie eine Rolle spielte.
    Sie entschied sich für ein Brillantkollier. Die Halskette war weder ein geheimer Wunsch von ihr noch ein besonders wertvolles Stück, sie war lediglich etwas, das sie als schön empfand. Das Kollier hatte einen kalten Glanz, war sehr teuer und hervorragend gefertigt. Sie legte es sich um den Hals, wobei sie die Arme betont anmutig streckte und nach hinten griff, um den Verschluß einrasten zu lassen. Nur für einen kurzen weiteren Moment behielt sie die Arme oben, spürte, wie ihr üppiges Haar ihre Finger umschmeichelte, und sie sah, wie seine Augen flackerten, während er sie von Kopf bis Fuß betrachtete. Zum Beispiel ihre Beine, die sensationell und endlos lang und durch den hüfthohen Schlitz ihres langen Rocks deutlich zu sehen waren. Zum Beispiel ihre Brüste, die üppig und fest zugleich waren. Zum Beispiel ihre porzellanhafte Haut, die aussah, als

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