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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Jetzt gehörst du mir.
    Sie war zu einem Besitz geworden. Seinem Besitz.
    Mehrere Stunden später bestiegen sie ein Flugzeug und flogen runter nach Peter’s Island in der Karibik. Dort wartete auf sie eine pompöse Vier-Zimmer-Villa mit Seeblick auf einem Berg, mit einem Koch und einer Hausangestellten und einem Chauffeur, um sie zum Strand oder in die Stadt zum Shopping zu bringen, nur für sie beide. Sie speisten ausgiebig und genüßlich und küßten und befummelten einander während des Abendessens, dann liebten sie sich, ohne Eile und voller Hingabe. Es war so wundervoll, daß sie dachte, sie wäre wahrscheinlich auf dem Holzweg. Er hatte tatsächlich einen Scherz gemacht, als sie an der Hochzeitstorte standen. Dieser Gedanke machte sie glücklich, daher küßte sie ihn und begann wie entfesselt zu plappern, weil sie so erleichtert war. Sie erzählte ihm, wie sie sich die Einrichtung des Hauses vorstellte. Sie wolle keinen Innenarchitekten, sie wolle die Planung selbst in die Hand nehmen. Wenn es deshalb länger dauern würde, dann wäre das nicht schlimm, aber am Ende wären sie sicherlich zufrieden mit der Umgebung, in der sie leben würden …
    Und in diesem Moment unterbrach er sie. Und sagte die Worte, die ihr das Blut gefrieren ließen.
    »Wenn wir Kinder kriegen«, sagte er, »sind die Namen schon festgelegt.«
    Zuerst verstand sie nicht richtig. Aber sie stoppte ihren Redestrom und fragte nur: »Was?«
    Also wiederholte er es. Und als sie ihn verwirrt ansah, meinte er nüchtern: »Ich will, daß du dir darüber im klaren bist, daß bereits alles entschieden ist. Heute, morgen, in zwei Jahren. Es ist bereits alles beschlossen. Verstehst du, was das heißt?«
    Sie verstand es in der Tat. Sie verstand nur zu gut. Was er damit ausdrückte, war nichts anderes als: Du gehörst mir. Das hatten seine Augen während der Hochzeit gesagt, und das sagte er auch jetzt, an der See, während sie nackt auf dem Fußboden der Villa lagen. Das war es, was seine Augen von nun immer sagen würden, und sie wußte, daß es zutraf.
    Sie gehörte ihm. Und das haßte sie.
    Und sie haßte ihn deswegen.
    Ihre erste Affäre begann sie am Tag vor ihrem ersten Hochzeitstag.
    Das Ganze zu arrangieren war nicht so einfach, zumindest anfangs nicht. Es durfte auf keinen Fall in zu naher Umgebung ihres Zuhauses stattfinden. Aber sie war aufs College zurückgekehrt, um ihren Studienabschluß zu machen, und dort, an der NYU, in einem Grundkurs für Betriebswirtschaft, verführte sie ihren Professor. Er wußte nicht, wer sie war, wer Joe war, und die Affäre dauerte einen Monat, bis er es herausbekam. Es machte ihr nichts aus, als er ihr erklärte, er könnte sich nicht mehr mit ihr treffen. Er langweilte sie bereits. Und sie wußte, daß sie den Kurs mit einem »Sehr Gut« abschließen würde.
    Nüchtern betrachtet, war es keine besonders wilde Angelegenheit. Es hatte nichts mit Liebe zu tun, aber ihr machte es Spaß. Es war erstaunlich befreiende Erfahrung. Sie kehrte innerlich völlig ausgeglichen zu Joe zurück, stürzte sich in ihre Rolle als Hausfrau und wußte, daß er ein winziges Stück von ihr verloren und sie ein winziges Stück ihres Selbst wiedergewonnen hatte.
    Achtzehn Jahre später war sie älter, als Joe es gewesen war, als sie einander kennengelernt hatten. Sie war jetzt vierundvierzig und hatte noch immer Affären. Eine pro Jahr.
    Sie sah noch immer toll aus. Wahrscheinlich sogar noch besser als mit sechsundzwanzig. Joe versicherte ihr das immer wieder. Er konnte es nicht fassen. »Sieh mich an«, sagte er zum Beispiel, »ich habe dreißig Pfund zugenommen, und mein Haar ist schneeweiß. Aber du …« Und er lächelte so selbstsicher wie eh und je. »Du siehst genauso aus wie früher. Nur bist du noch schöner geworden.«
    Dann leuchteten seine Augen vor Begeisterung.
    Und vor Besitzerstolz.
    Natürlich kam ihre Schönheit nicht von ungefähr. Sie hatte mittlerweile seit sechs Jahren persönliche Fitnesstrainer. Der jüngste kam dreimal in der Woche in die Wohnung, manchmal sogar ins Haus auf Long Island, allerdings gewöhnlich nur, wenn Joe nicht daheim war. Sein Trainingsplan war brutal. Sie hatte ständig Schmerzen. Aber die Ergebnisse waren hervorragend. Ihr Körper sah so aus wie früher, vor Joe, vor den Kindern, vor den letzten achtzehn Jahren, die irgendwie unbemerkt verronnen waren.
    Sie war verrückt nach dem Trainer. Er war absolute Spitzenklasse. Und er war herrlich jung.
    Als er das erste Mal nicht zu einem

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