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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Termin erschien – er rief an jenem Tag frühmorgens an, um abzusagen –, schmollte sie. Sie vermißte ihn während des ganzen Tages. Sie war regelrecht unglücklich. Mehrere Wochen später sagte er abermals ab, diesmal einen Freitag-Termin, und sie ärgerte sich. Und war traurig. In dieser Nacht fand sie keinen Schlaf, und sogar Joe bemerkte, daß etwas nicht stimmte. Ihre stumme Wut hielt sich das gesamte Wochenende, bis sie ihn am frühen Montagnachmittag endlich wiedersah. Kid Demeter trat durch die Tür, und sie war wieder glücklich und gelöst.
    Danach dachte sie oft über ihn nach. Sie lag im Bett, Joe fast auf Tuchfühlung neben ihr, und sie träumte von dem Jungen. Er hatte etwas ganz Besonderes an sich. Als steckte viel, viel mehr hinter ihm, als sie sehen durfte. Und schon bald hatte sie eine ganze Menge gesehen.
    Die meisten ihrer Affären dauerten nicht länger als einen Monat. Das war alles, was sie verlangte und was sie brauchte. Alles, was länger dauerte, könnte Komplikationen und Unannehmlichkeiten zur Folge haben, und für Komplikationen und Unannehmlichkeiten hatte sie in ihrem Leben keinen Platz. Ihre Affäre mit dem Trainer hingegen bestand nun schon fast ein ganzes Jahr. Und sie war regelrecht süchtig nach ihm. Wenn er nicht da war, verzehrte sie sich nach ihm. Und war er da, fürchtete sie sich ständig davor, daß er sie wieder verließ. Sie kaufte ihm alles mögliche, führte ihn aus und versuchte ihn zu verwöhnen, wo es nur ging. Das einzige, das als tabu galt, war die Zukunft, denn er war jung, und sie war es nicht, und ganz gleich, wie sensationell sie aussah, sie könnte niemals ein Teil seiner Zukunft sein.
    Für sie beide gab es keine Zukunft.
    Was bedeutete, daß es für sie keine Zukunft gab.
    Manchmal, des Nachts, zwang sie sich, darüber nachzudenken. Sie brachte sich dazu, Überlegungen darüber anzustellen, was sie tun würde, wenn er sie jemals verließ.
    Die Antwort überraschte sie. Und beunruhigte sie. Denn sie hatte darauf keine Antwort.
    Daß er sie verlassen könnte, war einfach unvorstellbar.
    Es würde niemals geschehen, entschied sie schließlich. Es durfte niemals geschehen.
    Sie besaß ihn. Er gehörte ihr. Er war ihr Eigentum.
    Endlich hatte auch sie einen eigenen Besitz. Und man ließ seinen Besitz nicht so einfach von dannen ziehen. Aus seinem Leben verschwinden. Wer wußte das besser als sie?
    Nein, verlassen zu werden war inakzeptabel. Es war zu schrecklich. Zu schmerzhaft.
    Unvorstellbar.
    D IE E NTERTAINERIN
    Sie war sehr schön. Mui bonita.
    Wirklich und wahrhaftig. Es verdad.
    Sehr, sehr schön. Mui mui bonita.
    Sie wußte das und wollte unbedingt ihren Vorteil daraus ziehen. Warum auch nicht? Sie sah, wie die Köpfe sich drehten, wenn sie die Straße entlangflanierte, vor allem, wenn sie den kurzen schwarzen Rock und das graue Tank-Top trug, unter dem das Spiel der Muskeln ihrer Schultern und auf dem Rücken deutlich zu erkennen war. Und sie wußte, daß ihr Körper eine wahre Pracht war, so großartig wie nie zuvor. Und warum auch nicht? Sie trainierte – mittlerweile zwei bis drei Stunden am Tag –, daher waren ihre Arme und Beine hart und schlank, ihr Bauch wie gemeißelt und flach. Ihre Brüste waren nicht groß, aber sie waren exquisit geformt. Jeder riet ihr, sie vergrößern zu lassen, sich endlich zu der Operation zu entschließen, wie all die anderen jungen Frauen es taten, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Sie mochte ihre Brüste, ihre kleinen chichis . Vor allem gefiel ihr, daß sie ganz und gar ihre eigenen, naturgegebenen waren. Sie verlor einige Kunden, weil sie zu klein waren, aber das störte sie eigentlich kaum. Sie würde sich nicht aufschneiden und verändern lassen. Das würde sie ganz bestimmt nicht tun. Zumindest noch nicht.
    Die Männer wollten sie, das war klar. Und deswegen konnte sie sie dazu bringen, ihr fast alles zu geben, was sie sich wünschte. Geschenke. Teure Dinners. Oder einfach nur gutes, altmodisches Geld. Ein Mann, alt, wahrscheinlich Ende Vierzig, vielleicht sogar Anfang Fünfzig, mit einem Bauch und schlaffer Hühnerhaut an Kinn und Hals, wollte ihr ein Apartment einrichten. Sie hatte aber bereits ein Apartment, ein schönes dazu, mit Blick auf den East River. Es war das eine, das sie selbst bezahlte. Sie zahlte gern dafür. Wirklich und wahrhaftig. Sie fühlte sich dabei so erwachsen und sicher, wie sie sich nur fühlen konnte. Daher erklärte sie dem dunklen alten Mann, daß sie sein Apartment

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