Ice
Schwarz, wie ich es noch nie gesehen habe.
Als sie ihren Monolog beendet und einfach aus dem Zimmer marschiert, schaut Miraja ihr verträumt hinterher. »Du musst sie so nehmen, wie sie ist. Ein kleiner Wildfang.«
»Du bist also tatsächlich mit einem Warrior zusammen?«, frage ich sie.
Miraja nickt und grinst breit. Das Strahlen in ihren Augen sagt mir alles.
Plötzlich dreht sie mich an der Schulter herum. »Da kommt Samantha, sie wird dich untersuchen.«
Eine Frau mit hochgestecktem Haar und einem weißen Kittel betritt den Raum. Sie hat eine kurvige Figur und ein freundliches Gesicht. Lächelnd streckt sie mir die Hand entgegen. »Hallo, ich bin Dr. Walker. Ich würde Sie gerne untersuchen, wenn ich darf.«
Ich nicke bloß, da mich ihre warmherzige Ausstrahlung überwältigt. So viele liebe Menschen auf einem Fleck – das treibt mir schon wieder Tränen in die Augen.
»Setzen Sie sich bitte.« Dr. Walker deutet auf einen Stuhl, auf dem ich mich niederlasse. Dann beginnt sie, meinen Blutdruck zu messen, sie sieht mir in den Mund und in die Augen, stellt mir ein paar Fragen und nimmt mir schließlich Blut ab. »Die Nadelspitze der Spritze könnte etwas stumpf sein, da wir sie öfter benutzen müssen. Aber keine Sorge, sie ist steril.«
Es pikst etwas mehr als gewöhnlich, doch es tut nicht wirklich weh.
»So, das war’s auch schon. Sollten Sie sich einmal nicht wohlfühlen, kommen Sie jederzeit zu mir.« Mit diesen Worten verlässt sie uns wieder, da sie Mark einarbeiten muss.
»Samantha hat sehr viel zu tun«, flüstert mir Miraja zu. »Es gibt leider zu wenige Ärzte. Gut, dass ihr ehemaliger Kollege nun auch hier ist. Er konnte ebenfalls aus White City fliehen. Samantha und Mark haben früher zusammengearbeitet. Ich glaube, sie werden erneut ein gutes Team sein.«
Ich atme tief ein und frage: »Wahrscheinlich war sie auch unschuldig, oder?«
Miraja nickt. »Sie hat Jax’ Bruder nicht getötet. Den Mord hat Senator Freeman in Auftrag gegeben. Als Cedric den Granatenanschlag überlebte, hat Freemans Mitarbeiter Tony Greer persönlich für sein Ableben gesorgt.«
Ich kenne Tony! Oder dachte es zumindest. »Mr. Greer hat … im Auftrag von …« Ich schüttle den Kopf. Falls diese Menschen alle die Wahrheit sagen – und das fühle ich –, wäre ich vielleicht auch bald einer dieser korrupten, widerwärtigen Senatsmitglieder geworden. Jetzt verstehe ich, warum mein Vater so ein kalter Mann ist. Als Mitglied des Regimes darf man kein Herz haben. Oder sollte das zumindest nach außen nicht zeigen. Ich hätte versucht, meine Menschlichkeit zu bewahren und subtile Verbesserungen zu erreichen.
***
In den nächsten Stunden lerne ich so viele Leute kennen und führe eine Menge Gespräche, dass mir der Kopf raucht. Mit dem Bürgermeister dieser Stadt sitzen Andrew, Miraja und ich in einem Verhörraum im Untergeschoss. Mit dabei sind die Warrior Jax und Crome sowie der Arzt Dr. Mark Lamont. Er hat es erst vor Kurzem geschafft, aus White City zu fliehen. Storm war es, der ihn verraten hat – das hatte ich im Shuttle schon am Rande mitbekommen. Darüber ging es wohl in dem Gespräch mit meinem Vater, als der Krieger so aufgelöst vor unserer Tür stand.
Storm und Dr. Lamont müssen sich wirklich nahe gestanden haben, trotzdem hat ihn der Warrior, der dem Regime gegenüber immer loyal ist, nicht verraten.
Zwei weitere Ausnahmen sitzen allerdings vor mir.
Ich sehe dem Arzt an, wie niedergeschlagen er ist, außerdem ist er noch schwach auf den Beinen. Stundenlang irrte er durch die Kanalisation und hat sich an eingeritzten Symbolen orientiert, die Jax dort hinterlassen hat, falls Dr. Lamont einmal fliehen muss. Es hat lange gedauert, bis er den geheimen Tunnel entdeckte, der aus der Kuppel führt. Danach lief er ewig durch die Gluthitze der Wüste und brach kurz vor der Stadt bewusstlos zusammen. Als ihn jemand gefunden hat und zur Krankenstation brachte, war es zu spät, um Andrew, Jax und Crome zu warnen. Sie waren längst unter der Stadt und hatten den Doktor auf ihrem Weg verpasst. Die drei fuhren mit einer Art Schnellbahn durch die Wüste, während der Arzt zu Fuß den weiten Weg zurückgelegt hat. Der Doktor hatte leider keine Möglichkeit, vor seiner Flucht noch eine Nachricht zu schicken. Storm hat ihm das nicht mehr erlaubt.
Bürgermeister Forster stellt mir unzählige Fragen, die ich leider nicht alle beantworten kann. Meist geht es um die Pläne des Senats.
Andrew sitzt
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