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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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»Entschuldige bitte. Wo sind wir?«
    »Eine Meile nördlich des Nordpols«, kam die Antwort.
    Offensichtlich war das GPS wirklich kaputt, und der Bär irrte sich. Oder er log. Aber sie brauchte weder das Gerät noch den Bären. Sie kannte mindestens ein halbes Dutzend sehr einfache Möglichkeiten, um herauszufinden, wo Süden war. Dann musste sie nur noch in diese Richtung gehen, und sie würde die Station finden. Alles war unter Kontrolle. Mochte ja sein, dass sie tief im ewigen Eis steckte, aber sie lebte und fühlte sich gut. Ihr war noch nicht einmal kalt.
    Das sollte es aber sein. Um den Rand ihrer Kapuze herum gefror ihr Atem zu Eiskristallen, doch ihr war ganz warm. In ihren Armbeugen spürte sie den Schweiß, ihr Nacken kribbelte unter den vielen Lagen Stoff. Das ergab keinen Sinn. Die Luft musste so kalt sein, dass man innerhalb von fünf Minuten schwere Erfrierungen bekam. Sie war ja auch kalt genug für eine Fata Morgana. Denn direkt vor sich erblickte Cassie das prächtigste Exemplar einer arktischen Luftspiegelung, das sie in ihrem Leben je gesehen hatte.
    Blinzelnd betrachtete sie das Schloss, während der Bär mit ihr darauf zulief. Es war eine Fata Morgana von einzigartiger Schönheit. Türme ragten hoch über Cassie auf und schimmerten in vielfach gebrochenem Licht. Auf den Spitzen hatte Eis sich zu Formen verdichtet, die an wehende Banner erinnerten, erstarrt mitten in der Bewegung. Cassie wartete darauf, dass das Ganze auf seine natürliche Größe zusammenschrumpfte: zu einem ganz gewöhnlichen Bergrücken oder Eisgrat, den das Licht übergroß hatte erscheinen lassen.
    Aber weder schrumpfte das Gebilde , noch dehnte es sich aus. Es glänzte im Licht der Sonne wie ein kostbares Juwel. Cassie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Das musste ein im Packeis eingefrorener Eisberg sein. Er war weiß wie Mondstein, während das ihn umgebende Meereis in einem brillanten Türkis erstrahlte. Aber sie hatte noch nie von einem Eisberg in so altem Packeis gehört, außer in der Nähe von Ellesmere, auf der anderen Seite von Kanada. Wieder studierte sie ihr GPS , doch das zeigte weiterhin seine sinnlosen Daten an. Selbst bei dem phänomenalen Tempo, das der Bär angeschlagen hatte, konnten sie doch nicht die tausenddreihundert Meilen bis zum Nordpol zurückgelegt haben. Oder etwa doch?
    Nein. Das war schlicht und einfach nicht möglich. Es musste eine andere Erklärung geben. Eine rationale, wissenschaftliche. Sie steckte das GPS in ihren Anorak zurück. Als sie wieder aufsah, erblickte sie vor sich eine Wand aus blauem Eis, die das schillernde Schloss umgab. »Oh«, entfuhr es ihr schwach. Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ ihren Blick an den schlanken, bannergekrönten Türmen emporwandern, die sich hinter der Mauer erhoben.
    »Willkommen in meinem Schloss«, sagte der Eisbär.
    Das konnte nicht sein. Es gab kein Schloss in der Arktis. Das gesamte Gebiet war vom All aus mit Satellitenaufnahmen erfasst worden. Irgendjemandem wäre es bestimmt aufgefallen.
    Es war, dachte Cassie, überirdisch schön.
    Durch einen Torbogen aus blauem Eis trug der Bär sie in den Hof des Schlosses. Über ihr glitzerten kunstvoll gestaltete Türmchen und überhängende Bögen. Vor ihr befand sich eine wundervolle, beeindruckende Tür, ein mehr als sechs Meter hohes Gitter aus Kristallen. Sie klirrten und klingelten wie tausend Sektkelche bei einer Festrede, als die Flügel aufschwangen. Der Bär trug sie ins Innere des Schlosses.
    Im Inneren angelangt, verschlug es ihr schier den Atem. Sie befand sich mitten in einem Regenbogen. Kronleuchter aus Millionen und Abermillionen kleinster Eissplitter übergossen die Eingangshalle mit einem Wirbel aus Farben. Die Wände waren über und über mit Eisfresken bedeckt, über die saphirblaue und smaragdgrüne Lichtpünktchen tanzten. An Säulen rankten sich rubinrote Eisrosen empor. GPS – vergessen. Unmöglichkeit – vergessen. Cassie nahm ihre Gesichtsmaske ab und schlug die Kapuze zurück. Merkwürdig: Ihre Wangen blieben warm. Sie schob die Schneebrille hoch und blinzelte in das Gefunkel. Noch niemals zuvor hatte sie etwas so Wunderschönes gesehen. Das konnte man sich nicht einbilden. Sie glitt vom Rücken des Bären und ging zu einer der Wände hinüber. Alles hier wirkte viel zu lebendig, zu plastisch, zu detailreich, um eine Sinnestäuschung zu sein. Sie streckte die Hand aus – und erstarrte nur wenige Zentimeter von der Wand entfernt mitten in der Bewegung.
    Was,

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