Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
das schimmernde Tor, ihre Hand auf seinem Rücken.
Sie führte ihn zum Bankettsaal. Dort angekommen, nahm sie ihren Rucksack von den Schultern, zog den Reißverschluss auf und begann Karten auf der langen Tafel aufzustapeln, Ordner und Notizbücher. Als sie eine der Karten aufrollte, stoben Eiskristalle hoch und setzten sich an ihr fest. »Würdest du dem Tisch bitte sagen, er soll die Sachen nicht auffressen?«
Bär richtete seinen Blick auf die Festtafel, und das Eis zog sich zurück. »Was ist das alles?«, fragte er.
Cassie holte tief Luft. Zeit herauszufinden, ob es hier eine Zukunft für sie gab. Egal, wie blumig sie Dad ihr Vorhaben geschildert hatte – Bär konnte all ihre Pläne zunichtemachen, ohne es überhaupt nur zu merken. Wenn er sich weigerte … Ich werde ihn überzeugen müssen. Sie deutete auf einen bestimmten Teil der Karte. »Hier ist die Küste. Und hier sind die diesjährigen Geburtshöhlen. Ein Bär pro Dreieck.« Sie klappte einen Ringordner auf. »Das hier ist ein Verzeichnis aller Daten zu den Geburtshöhlen und den voraussichtlichen Wurfterminen. Damit kann ich Routen für dich zusammenstellen. Wenn du denen folgst, führen sie dich jederzeit so nahe wie möglich an jene Orte, wo mit großer Wahrscheinlichkeit die nächsten Geburten stattfinden. Und das die ganze restliche Saison über. Modellrechnungen zur Ereignisvorhersage. Wir können sie nutzen, um deine Chancen zu erhöhen.«
Bär legte seine pelzige Stirn in Falten.
Cassie fuhr entschlossen fort. »Wenn ich genügend Datenpunkte habe, müsste ich am Ende sogar ziemlich genaue Vorhersagen machen können – natürlich innerhalb gewisser Bandbreiten.« Dank Owen hatte sie Ausdrucke der Daten aller Forschungsstationen, die mit ihrer kooperierten. Natürlich war es keine komplette Übersicht über die gesamte Eisbärenpopulation, aber es stellte einen Anfang dar. »Sieh mal«, sagte sie. »Ich habe hier schon einen vorläufigen Kurs ausgedruckt. Wir können ihn gleich morgen testen.«
Sie sah ihn an, wartete auf seine Reaktion, versuchte, irgendetwas aus seinen schwarzen Knopfaugen zu lesen.
»Du möchtest mit mir kommen, aufs Eis hinaus? Zu den Geburten?«
»Ich muss«, antwortete sie mit fester Stimme. »Wir müssen noch mehr Daten sammeln, damit es funktioniert. Und du kannst nicht beides tun. Außerdem würdest du auch gar nicht wissen, welche Daten wir brauchen.« Sie versuchte ein Grinsen. »Und du kannst keinen Stift halten.«
Er lachte, und das vertraute Grummeln spülte über sie hinweg wie eine sanfte, beglückende Welle. Dann wurde er wieder ernst. »Alle Munaqsri sind allein unterwegs. Wir müssen uns davor schützen, entdeckt zu werden.«
»Allen Munaqsri gehen Seelen verloren, weil sie nicht rechtzeitig an Ort und Stelle sind«, unterbrach sie ihn. »Das hast du mir selbst gesagt. Ich kann helfen. Vielleicht schaffen wir es nicht zu allen Geburten, aber wir können zumindest deine Chancen verbessern.«
Er nickte bedächtig.
Cassie spürte, wie die Verkrampfung aus ihren Schultern wich. Er wollte unbedingt so viele Bärenkinder retten wie nur irgend möglich. Er würde zustimmen. Zusammen konnten sie es schaffen.
»Bist du ganz sicher, dass du das tun möchtest?«, fragte er. »Es ist nicht ungefährlich. Wenn wir erst mal außerhalb dieser Mauern sind, kann ich dir mit meiner Magie nur helfen, wenn ich dich direkt berühre. Werden wir getrennt … «
»Ich habe meine Ausrüstung«, gab sie zurück und tätschelte ihren Rucksack. »Wenn es nötig ist, kann ich damit eine ganze Woche lang auf dem Eis überleben.« All ihr Training, ihre Fähigkeiten, ihre Ausbildung hatten sie hierher geführt. Sie würde den Eisbären ganz direkt helfen können, statt Formulare auszufüllen und Fördergelder aufzutreiben. Wenn er zustimmte.
Sein mächtiger Kopf pendelte hin und her, während er sorgfältig die Unterlagen studierte, die Daten und Karten, die Listen mit Zahlen. »Wenn das wirklich hilft, werden alle Eisbären dir sehr dankbar sein. Ich werde dir sehr dankbar sein.« Er lehnte seinen Kopf gegen ihren Bauch, und sie schlang die Arme um seinen Hals. Etwas unbeschwerter fügte er hinzu: »Trotzdem ist es ziemlich unnatürlich.«
»Sagt der sprechende Bär.«
Sein Fell bebte, als er wieder lachen musste. »Tagelang hatte ich niemanden, der mich neckt.«
»Die Auszeit ist vorbei«, antwortete sie. »Cassie ist wieder zu Hause.«
Ganz sanft sagte Bär: »Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich mich das
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