Ice Ship - Tödliche Fracht
bedingungslos vertrauen zu können. Die Sache von heute Nacht machte die Dinge allerdings komplizierter. Und Komplikationen konnte er jetzt am wenigsten brauchen. Sie ruhten sich ein paar Minuten aus, die Feldflasche mit Wasser wanderte zwischen ihnen hin und her. Weit hinten am westlichen Horizont zog eine dunkle Wolkenbank auf, der Vorbote eines nahenden Sturms. »Du kommst mir irgendwie anders vor als die Übrigen in eurem Team«, sagte McFarlane. »Warum nur?« »Weil ich anders bin. Und das ist kein Zufall. Bei der EES sind alle extrem vorsichtig, einschließlich Glinn. Also brauchte er jemanden, der keine Risiken scheut. Und für den Fall, dass es dir entgangen sein sollte: Ich bin auf meinem Fachgebiet ein Ass.« »Ich hab’s bemerkt«, sagte McFarlane, schnallte sich den Rucksack um und maß den Steilhang vor ihnen mit kritischem Blick. »Sieht ein bisschen tückisch aus. Am besten, ich gehe voraus und ...« Aber Rachel kletterte schon auf das Schneefeld zu, das sich bis zum Fuß der beiden Kamine erstreckte und nicht nur immer steiler, sondern auch, wie an der bläulichen Färbung abzulesen war, immer vereister wurde. »Gehen wir es langsam an!«, rief er ihr nach. Er wandte sich um. Die Sicht über die zerklüfteten Inseln war von hier oben atemberaubend. Sogar die Berge von Feuerland konnte er in der Ferne ausmachen. Die Rolvaag nahm sich im schwarzen Wasser der Bucht wie ein Spielzeugschiff aus. Von dem Zerstörer war nur der Bug zu erkennen, den Rest verdeckten die Felsklippen irgendeiner kleineren Insel. Die dunkle Sturmfront zog immer schneller auf sie zu, sie bedeckte nun schon einen Großteil des kristallklaren Himmels. Als er nach vorn schaute, erschrak er, wie weit Rachel schon gekommen war. »He!«, rief er, »warum rennst du denn so?« »Sag mir lieber, warum du so trödelst?« Und dann passierte es – ein Stein rollte den Hang herunter ... und Sekunden später der nächste, der McFarlane nur um Haaresbreite verfehlte. Und gleich darauf rutschte mit lautem Getöse ein Teil des Steilhangs hinter Rachel weg. Auf einmal gähnte im Schnee ein schmutziges Loch. Rachel lag bäuchlings auf dem Boden und versuchte strampelnd, irgendwo Halt zu finden und sich mit den Beinen abzustemmen. »Bleib ganz ruhig liegen!«, brüllte McFarlane und kletterte, so schnell er konnte, hinter ihr her. Ein, zwei Minuten später hatte er den breiten Felssims direkt unter ihr erreicht. Er stemmte sich hoch, langte über die Kante, tastete blind nach Rachel und erwischte ihren Unterarm. »Ich hab dich«, keuchte er, »lass dich fallen.« »Ich kann nicht!« Er spürte, wie sie sich vor Angst verkrampfte. »Alles in Ordnung«, redete er ihr beruhigend zu, »ich hab dich ja.« Mit einem Seufzer ließ sie sich nach unten rutschen. Er fing sie auf, drehte sich, als er ihr Gewicht spürte, um die eigene Achse und bugsierte sie so nach unten, dass ihre Füße festen Halt fanden. Sie landete hart auf dem Fels und brach zitternd auf die Knie. »Du meine Güte«, sagte sie mit brüchiger Stimme, »ich wäre beinahe abgerutscht.« »Ja, aber nicht sehr weit. Anderthalb Meter, schätze ich, bis zu der Schneewehe da drüben.« »Wirklich?« Sie sah nach unten und schnitt eine Grimasse. »Und ich dachte, der ganze Hang rutscht ab. O Mann, da hab ich dich für meinen Lebensretter gehalten, und nun stellt sich heraus ... Na ja, trotzdem vielen Dank.« Sie reckte sich und gab ihm rasch einen Kuss auf den Mund, fast nur hingehaucht. Dann überlegte sie sich’s anders, küsste ihn noch einmal, diesmal mit mehr Hingabe. Als sie spürte, dass er den Kuss nicht erwiderte, löste sie sich von ihm. Mit ihren großen dunklen Augen sah sie ihn prüfend an. Er erwiderte ihren Blick stumm, während ein paar hundert Meter unter ihnen sich die ganze Welt erstreckte. »Traust du mir immer noch nicht, Sam?«, fragte sie leise. »Doch, ich vertraue dir.« Sie schmiegte sich an ihn, die Augenbrauen irritiert zusammengezogen. »Was ist es dann? Gibt es eine andere? Die charmante Lady mit dem Kapitänspatent vielleicht? Sogar Eli...« Sie brach abrupt ab und senkte verlegen die Augen. Mc-Farlane fielen viele Antworten ein, aber die meisten hätten sich belehrend angehört, ein paar sogar frivol. Und so beließ er es bei einem einfältigen Grinsen, schulterte den Rucksack und sagte: »Ich glaube, ich habe da drüben interessantes Gestein entdeckt...« Rachel starrte zu Boden und murmelte: »Geh die Proben holen. Ich warte hier.« Er zögerte einen
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