Ice Ship - Tödliche Fracht
die Tür zu. »Lassen Sie mich bitte vorbei.« Amira senkte verunsichert die Augen, rührte sich aber nicht von der Stelle. »Moment.« »Machen Sie bitte den Weg frei.« Sie deutete mit dem Kopf auf den Drucker. »Nicht, bevor Sie den Rest gelesen haben.« Er funkelte sie zornig an, hob, offenbar entschlossen, sie grob beiseite zu schieben, die Hand, besann sich aber eines Besseren. »Danke, ich habe genug gelesen. Und nun machen Sie endlich Platz.« Amira versperrte ihm weiter den Weg. »Lesen Sie erst den Rest, dann können Sie gehen.«
Sie maßen sich lange stumm mit Blicken. Schließlich wandte er sich wortlos um und nahm das zweite Blatt aus dem Drucker.
Ich bin übrigens der gleichen Meinung wie er. Überzeugende, nicht zu widerlegende Indizien sprechen dafür, dass der Meteorit nicht aus unserem Sonnensystem stammt. Ich kann keine Anzeichen dafür erkennen, dass Sam McFarlane sich in eine fixe Idee verrannt hätte oder aus irgendeinem anderen Grund eine Gefahr für diese Expedition darstellen sollte. Im Gegenteil, der Meteorit hat den Wissenschaftler in ihm geweckt. Von den sarkastischen, auf Blockade und mitunter auf reine Geschäftsinteressen ausgerichteten Zügen, die anfangs zu beobachten waren, ist nichts mehr zu merken. Stattdessen sind seine Antriebsfedern nun wissenschaftliche Wissbegier und der tiefe Wunsch, mehr über dieses bizarre Meteorgestein herauszufinden. Und so wird dieser dritte Bericht mein letzter sein; ich kann guten Gewissens keine weiteren mehr schreiben. Für den Fall, dass sich ein Problem abzeichnet, so werde ich das – schon aus Loyalität gegenüber der Geschäftsführung der EES – selbstverständlich sofort melden. Fakt ist, dass dieser Meteorit fremdartiger ist, als jemand hätte vorhersehen können; er ist vielleicht sogar gefährlich. Fakt ist aber auch, dass ich McFarlane nicht beobachten und gleichzeitig mit ihm zusammenarbeiten kann. Sie haben mich gebeten, als seine Assistentin zu fungieren. Genau das und nichts anderes möchte ich von nun an sein – zu seinem, meinem und zum Besten unserer Mission.
McFarlane zog den Drehstuhl vor dem Computertisch ein Stück zurück und setzte sich. Ihm zitterten so die Hände, dass das Blatt Papier leise raschelte. Sein Zorn war verflogen, nur so etwas wie ein Aufruhr verwirrter Gefühle war geblieben.
Keiner von beiden sagte ein Wort. Aus der Ferne drangen das Rauschen der Brandung und das gedämpfte Dröhnen der Schiffsmaschinen heran. Schließlich hob McFarlane den Kopf und sah Amira fragend an. »Es war Elis Idee«, sagte sie. »Sie waren Lloyds Mann, nicht einer von uns. Und es gab ein paar Schwachstellen in Ihrer Vorgeschichte. Dazu kam die Sache mit dem Sandwich, bei der ersten gemeinsamen Besprechung, Sie wissen schon ... das roch ein bisschen nach Unberechenbarkeit. Und Leute, die er nicht berechnen kann, machen Eli nervös. Deshalb wollte er, dass ich Sie beobachte und regelmäßig Berichte über Sie schreibe.« McFarlane sah sie stumm an. »Mir hat die Idee nicht gefallen. Obwohl, anfangs hat mich am meisten gestört, dass ich Ihre Assistentin spielen sollte. Die Berichte – mein Gott, ich habe gedacht, das ist eben eine lästige Pflicht. Nur, da hatte ich noch keine Ahnung, wie sehr mir das tatsächlich zur Qual würde. Ich kam mir jedes Mal beschissen vor, wenn ich so einen Bericht tippen musste.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber während der letzten Tage ... ich weiß nicht, wie ich’s erklären soll. Und als ich heute den letzten Bericht getippt habe, da wurde mir plötzlich klar, dass ich das nicht mehr über mich bringe. Nicht mal ihm zuliebe.« Sie starrte auf den Teppichboden. Obwohl sie sich Mühe gab, es zu verbergen, sah er, dass ihr die Lippen zitterten. Und er sah auch die eine Träne, die sich Zickzack einen Weg über ihre Wange bahnte. McFarlane stand auf, ging zu ihr und wischte die Träne weg. Sie schlang die Arme um ihn, zog ihn fest an sich, barg das Gesicht an seinem Hals und flüsterte mit tonloser Stimme: »Ach Sam, es tut mir so Leid.« »Ist schon gut.« Als ihr die zweite Träne über die Wange lief und McFarlane sich nach vorn neigte, um sie wegzuwischen, drehte sie ihm mit einer raschen Kopfbewegung ihr Gesicht zu, so dass ihre Lippen sich trafen.
Er hörte sie stöhnen und merkte, wie sie ihn noch fester an sich zog und die Arme um seinen Nacken geschlungen, langsam rückwärts auf das Sofa drängte. Er spürte den Druck ihrer Brüste und den ihrer Beine an seinen Hüften.
Weitere Kostenlose Bücher