Ice Ship - Tödliche Fracht
Schiff zu suchen? Für ihn sahen sie eher nach einem elektronischen Überwachungssystem aus. Und die hohe Antenne auf der Mastspitze hatte – so wackelig sie auch wirkte – verdächtigeÄhnlichkeit mit einem modernen Radargerät. Er setzte das Glas ab, griff in die Tasche seiner Wetterjacke und zog den Brief heraus, den er von dem Geologen aus Valparaiso erhalten hatte.
Hochverehrter Señor! Bei dem Stein, den Sie mir freundlicherweise zur Begutachtung geschickt haben, handelt es sich um ein etwas ungewöhnliches Stück Siliziumdioxid, auch als gekritzter Quarz bekannt, mit mikroskopischen Einschlüssen von Feldspat, Hornblende und Glimmer. Dennoch bedaure ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass die Materialprobe weder unter kommerziellen Aspekten noch für Sammler irgendeinen Wert besitzt. Um Ihre spezielle Frage zu beantworten: Sie enthält keine Spurenelemente von Gold, Silber, anderen wertvollen Erzen, Mineralien oder sonstigen chemischen Verbindungen. Desgleichen kann Silizigen. Desgleichen kann Siliziumdioxid auch nicht als Indiz für Öl- oder Gasvorkommen, Ablagerungen von Ölschiefer oder anderen kommerziell nutzbaren Kohlenwasserstoffprodukten betrachtet werden. Es betrübt mich, wie gesagt, sehr, dass ich Ihnen nur diese – vermutlich enttäuschende – Auskunft geben kann, zumal sie Sie wohl kaum ermutigen dürfte, von den ererbten Schürfrechten Ihres Großonkels Gebrauch zu machen.
Vallenar fuhr mit dem Finger über das Siegel, mit dem der Briefkopf geschmückt war, dann ballte er den Schrieb verächtlich zusammen und steckte ihn in die Tasche. Diese Analyse war nicht mal das Briefpapier wert. Er richtete das Fernglas abermals auf den Tanker. Schiffe dieser Tonnageklasse sollten hier nicht ankern. Es gab im Bereich der Kap-Horn-Inseln – abgesehen von einem Riff im Franklin-Kanal, das allerdings nur er kannte – lediglich einen sicheren Platz, Surgidero Otter, und der lag hinter der Isla Wollaston, also weit abseits. Hier hätte nur ein völlig ahnungsloser Kapitän Anker geworfen. Aber dieses Schiff lag eben doch hier vor Anker, und zwar seit etlichen Tagen. Was Vallenar zunächst sehr erstaunt hatte, weil es an ein Wunder zu grenzen schien. Bis er den kleinen Strudel am Heck des Tankers bemerkt hatte. Denn das konnte nur bedeuten, dass sich die Schiffsschraube drehte. Und das wiederum ließ den Schluss zu, dass ein Hilfsaggregat lief. Und zwar ständig. Sie benutzten also die eigene Schubkraft, um das Schiff der jeweiligen Strömung im Kanal anzupassen. Außer beim Gezeitenwechsel, da manövrierten sie die Rolvaag einfach um dreihundertsechzig Grad herum. Also mussten sie mit einem computergesteuerten, satellitengestützten System ausgerüstet sein, das sie in die Lage versetzte, alle störenden Einflüsse auszugleichen und die Position des Schiffes stabil zu halten. Vallenar hatte über diese hochmoderne DPS-Technologie gelesen, gesehen hatte er sie noch nie. Kein Schiff der chilenischen Marine war damit ausgerüstet. Die Installation war irrsinnig teuer, der Ölverbrauch enorm. Trotzdem, die da drüben hatten so ein System. Ausgerechnet auf ihrem allem Anschein nach schrottreifen Tanker. Er atmete tief durch, richtete das Fernglas auf die Insel und suchte die Schuppen mit den riesigen Arbeitsmaschinen ab, die landeinwärts führende Straße, den Abbaubereich – eine große Wunde im Erdreich, die sich den leicht ansteigenden Hang hinaufzog – und die daneben gelegenen Auffangbecken für das Sicker- und Pumpwasser. Die offensichtlich auch nur Bluff waren. Denn es gab keine hydraulische Absaugvorrichtung, keine Waschrinnen und keine Abflusskanäle. Er war in einem Goldgräbercamp im Norden aufgewachsen und wusste, wie es dort aussah. Eine innere Stimme sagte ihm, dass die Amerikaner nicht nach Gold schürften. Und selbst einem blutigen Laien wäre auf den ersten Blick klar gewesen, dass sie auch nicht nach Eisenerz gruben. Das Ganze sah mehr nach Diamantenabbau aus. Aber wenn die Amerikaner Diamanten gesucht hätten, wozu wären sie dann mit einem so riesigen Schiff hierher gekommen? Die ganze Operation roch von Anfang bis Ende nach einem groß angelegten Täuschungsmanöver. Vielleicht hatten die Aktivitäten ja etwas mit den alten Legenden der Yaghan zu tun. Er erinnerte sich vage, dass Juan Puppup, dieser borracho, eines Abends in einer Bar so eine Legende erzählt hatte – etwas von einem zornigen Gott und dessen Sohn, der seinen Bruder gemeuchelt hatte. Er hoffte nur, dass er diesen Puppup
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