Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Behördenleiter, die Schulzentren bauen lassen; Unternehmer, die neue Lagerhallen in Auftrag geben; Firmen-Architekten, die einen Anbau organisieren. Viel Geld, oft zweistellige Millionenbeträge, haben sie zu vergeben. Wer den Zuschlag will, muss diese Entscheidungsträger für sich gewinnen.
Wie funktionieren diese (s)exklusiven Geschäfte? Schiebt man dem Geschäftspartner einen Gutschein fürs Bordell rüber? Heuert man ein Callgirl an, das ihn in der Nacht vor der Auftragsvergabe besucht? Und wie verhindert man eigentlich, einen notorisch treuen Ehemann durch ein solches Angebot zu beleidigen?
Paulsen beschreibt folgendes Muster: Die Geschäftspartner führen ihre Besprechungen bis in den frühen Abend. Dann geht es in ein Restaurant, man isst, schaut tief ins Glas. Am Ende stellt er seine Gretchenfrage: »Was wollen wir mit dem restlichen Abend anfangen? Haben Sie vielleicht Lust auf eine Bar?«
»Wer die Bar ablehnt, hat an Sex kein Interesse«, weià Paulsen. »Aber die meisten sagen mit glänzenden Augen: âºGerne!â¹ Die haben doch auch langweilige Bürojobs; die wollen was erleben. Und die wissen genau, worauf sie sich einlassen â spätestens, wenn das Taxi in der Reeperbahn vor einem Etablissement hält.«
Offenbar gehört es zum Spiel, dass sich die Geschäftspartner erst einmal prüde geben, ihren Drinks widmen und die Frauen eine Armlänge auf Abstand halten. Doch je höher der AlkoholÂpegel steigt, desto mehr fallen die Hemmungen.
Ein schönes Beispiel, wie sich ein Biedermann im Bordell zum Draufgänger entwickelt, hat die »Welt« beschrieben. 21 Ein Stadtangestellter, von einem Stahlkonzern eingeladen, taute langsam auf: »Mit der Zeit wurde er munterer, irgendwann nickte sein Kopf zur Musik, seine Blicke auf die Mädchen wurden direkter. Und irgendwann stand er dann nur noch mit Socken bekleidet auf dem Tisch und schunkelte mit den Tänzerinnen.« Diese Sause hatte sich eine Stahlfirma 13 000 Euro kosten lassen. Für einen attraktiven Auftrag.
Hat Peter Paulsen auch so viel Geld zur Verfügung? Er schüttelt den Kopf. »Eine solche Summe dürfte ich nicht verbraten. Aber drei- bis fünftausend Euro sind schon mal drin. Pro Abend.« Wie hoch die Kosten ausfallen, hängt von zwei Faktoren ab: wie viele Geschäftspartner es sind und welche Wünsche sie haben.
»Am einfachsten ist es, wenn ich jemanden schon seit vielen Jahren kenne.« Zum Beispiel weià er, dass der Architekt eines Kosmetikherstellers nichts gegen leichte Mädchen, wohl aber etwas gegen das Rotlichtmilieu hat. Für ihn arrangiert er in Varianten immer wieder folgendes Szenario:
»Der Herr Architekt, ein Mann von Mitte 50, schütteres Haar, sitzt mit mir an der Hotelbar. Und dann schneien zwei Schönheiten in den Raum. Beide sind Anfang 20, setzen sich in unsere Nähe. Ich lade die Frauen auf einen Drink ein, bitte sie zu uns rüber. Und schon beginnt ein nettes Gespräch, man trinkt und kommt sich näher. Man trinkt noch mehr und kommt sich noch näher. Und schlieÃlich entschuldigt sich der Herr Architekt â und zieht sich, seine âºStudentinâ¹ an der Hand, auf sein Hotelzimmer zurück.«
Natürlich sind die beiden Frauen nicht zufällig in der Bar erschienen: Ein Anruf beim Escort-Service hat sie auf den Weg ge bracht. Warum dieses Theater? »Das ist ein korrekter Typ«, erklärt Paulsen, »der will sich nichts anhängen lassen. Der könnte vor Gericht mit gutem Gewissen sagen: âºSoweit ich weiÃ, hat mir niemand ein Callgirl spendiert; ich habe an dem Abend nur eine junge Frau in der Bar kennengelernt.â¹Â«
Tatsächlich weià er nicht, dass die Frauen von der Firma bezahlt werden, sondern ahnt es nur. Und die Firma weià nicht, dass er die Aufträge nur deshalb an sie vergibt, sondern ahnt es nur. So bringen beide ein schmutziges Geschäft auf den Weg, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
Weià die Geschäftsleitung von diesen Praktiken? Paulsen antwortet mit einer Gegenfrage: »Glauben Sie denn, die würden mir einen Beleg von 3000 Euro pro Abend abzeichnen, ohne das zu wissen?«
Aber einen Haken hat die Sache für Paulsen dann doch: »Ich bin mir sicher: Wenn ein solches Geschäft mal auffliegt, hat die Firma natürlich nichts gewusst â dann bin ich allein der Sündenbock.« So wie
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