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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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innen. Wenn ein Irrenhaus seine Kunden betrügt, zieht es auch gerne seine Mitarbeiter über den Tisch. Wenn es seine Zulieferer bis auf unsittliche Preise drückt, drückt es auch gerne die Gehälter der Mitarbeiter. Und wenn es Prostituierte zum Betriebsausflug bestellt, hat es auch keine Skrupel, seine Mitarbeiter auf den Arbeitsstrich zu schicken oder seine Kunden wie Freier auszunehmen.
    Â§ 10 Irrenhaus-Ordnung: Böse Zungen behaupten, Irrenhäuser behandelten ihre Mitarbeiter wie Prostituierte. Das lässt sich durch Fakten widerlegen: Prostituierte bekommen ihr Geld im Voraus – Mitarbeiter erst am Monatsende.

Irrenhaus-Sprechstunde 5
    Betr.: Die nackte Wahrheit über die Reisen meines Chefs
    Es war ein blöder Zufall, der unseren Prokuristen auffliegen ließ. Am laufenden Band unternahm er Geschäftsreisen. Meine Aufgabe als Assistentin war es, seine Belege zur Abrechnung an die Buchhaltung weiterzureichen. Einige Quittungen kamen mir merkwürdig vor, schon allein wegen ihrer Höhe.
    Eines Tages hatte ich wieder einen solchen Beleg auf dem Tisch: Die Firma »First-Class-Business« aus Frankfurt stellte 850 Euro in Rechnung, für eine »geschäftliche Stadtführung inklusive Verpflegung«. Mir fiel gleich ein Fehler auf: Die Rechnung enthielt keine Mehrwertsteuer. Solche Belege kommen aus der Buchhaltung wieder zurück; ich musste eine korrigierte Rechnung anfordern. Auf dem Briefpapier war keine Internet-Adresse genannt.
    Also griff ich zum Telefonhörer. Es meldete sich eine Stimme, die im schnurrigen Ton hauchte: »Hallo, hier ist Claudia. Was kann ich Ihnen Gutes tun?« Ich war kurz davor, den Hörer wieder aufzulegen. Aber meine Neugier war größer: »Guten Tag, hier Ilona Schmidt, Chefassistentin. Ähm, welche Dienste genau bieten Sie an?«
    Â»Alles, was die Herren wünschen: Einzelbegleitung, Doppelbegleitung, alle Altersklassen und Haarfarben. Mit Übernachtung oder auch ohne, das können sie frei entscheiden, je nach Sympathie.«
    Nun wollte ich es genau wissen: »Was wäre denn für, sagen wir, 850 Euro zu bekommen?«
    Â»Doppelbegleitung ab 21.00 Uhr, mit Übernachtung«, hauchte sie.
    Unter dem Vorwand, noch einmal Rücksprache nehmen zu wollen, beendete ich das Gespräch. Ich hatte mit einem Escort-Service gesprochen. Worin die in der Rechnung genannte »Verpflegung« bestanden hatte – jetzt war es mir klar!
    Ã„hnliche Quittungen brachte mein Chef von nahezu jeder Reise mit. Und wenn er mehrere Tage unterwegs war, bat er mich oft, einen Blumenstrauß für seine Frau zu besorgen. Offenbar hatte er ein schlechtes Gewissen!
    Die korrigierte Rechnung habe ich schriftlich angefordert. Mein Wunsch wurde prompt erfüllt. Darauf versteht sich dieses Gewerbe.
    Ilona Schmidt, Assistentin
    Betr.: Wie eine Prostituierte meine Tischnachbarin wurde
    Ein Großauftrag aus Russland hing in der Luft. Drei Manager aus Moskau waren angereist, um das Geschäft zu besprechen. Als (neuer) Vertriebsleiter gehörte ich zu unserer Delegation. Die Verhandlungen liefen zäh. Die Russen feilschten wie verrückt. Immer wieder sprang ihr Chef auf, fluchte auf Russisch und rannte aus dem Raum. Wir blieben freundlich, sachlich – und hofften auf den Abend!
    Als wir um 19.00 Uhr den Sitzungsraum verließen, war ein Abschluss noch weit entfernt. Die Tagesordnung versprach ein »anregendes Abendessen in gemütlichem Ambiente«. Unser Big Boss hatte einen Nebenraum in einem Luxus-Hotel gebucht. Als wir den Raum betraten, stutzte ich: Warum war für zwölf Personen gedeckt? Wir waren doch nur zu sechst! Und warum ließen die Platzkarten zwischen uns und dem Nebenmann je einen Platz frei?
    Die Antwort schneite fünf Minuten später in den Raum: sechs junge Frauen auf Stöckelschuhen, eine schöner als die andere. »Diese Damen werden uns ein wenig Gesellschaft leisten«, sagte der Big Boss. Die Russen klatschten und johlten. Die jungen Frauen wirkten so freizügig, als hätten sie sich am liebsten nicht auf die Stühle, sondern gleich auf den Schoß der Herren gesetzt.
    Ich war sauer: Warum hatte unser Chef diese Einlage nicht intern besprochen? Warum hatte er auch für mich eine Animierdame bestellt? Ich war glücklich verheiratet und wollte es auch bleiben. Was, wenn diese Sause herauskam?
    Der Abend geriet zum Besäufnis. Offenbar waren die

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